Zwischen 2014 und 2023 haben Archäolog*innen von Arkeologerna, der archäologischen Abteilung der Schwedischen Staatlichen Historischen Museen (Statens historiska museer, SHM), die Festung Gullberg in Göteborg ausgegraben. Die Untersuchungen fanden im Vorfeld der Bauarbeiten für die neue Zugverbindung Västlänken statt. Dabei kamen unerwartet gut erhaltene archäologische Funde aus dem 15. und 16. Jahrhundert zum Vorschein – darunter Mauern, Wälle, Hausfundamente, ein Turmkeller und ein ehemaliges Tor. Die Ausdehnung und Erhaltung der Strukturen überraschte das Team.
Archäologische Funde in Göteborg
Ein besonders eindrucksvoller Fund war ein gut erhaltener Kellerraum. Die Treppe, der Boden und Teile von Wänden und Decke blieben über Jahrhunderte hinweg intakt. Beim Bau der Festung wurde eine Kombination verschiedener Techniken verwendet: Stein- und Ziegelmauerwerk in einigen Bereichen, Erde und Holz in anderen. Diese Vielfalt zeigt, wie flexibel und durchdacht die Befestigungsanlage einst errichtet wurde.
Die archäologischen Funde geben spannende Einblicke in das Leben auf der Festung. Gefunden wurden unter anderem eine Sonnenuhr, Zapfhähne für Bierfässer, ein Schnapsglas, ein Löffel für Schnaps, ein Sandstreuer und verschiedene Waffen. Kanonenkugeln, Musketenkugeln und ein Armbrustbolzen deuten auf kriegerische Auseinandersetzungen hin.
Besonders auffällig ist ein sogenannter Testikeldolch – ein seltenes und symbolträchtiges Objekt. Dieser Dolchtyp war im späten Mittelalter in Europa verbreitet und erhielt seinen Namen durch die charakteristisch geformte Parierstange, die an männliche Genitalien erinnert. Derartige Waffen dienten nicht nur dem Nahkampf, sondern hatten oft auch eine symbolische oder repräsentative Bedeutung, so die Arkeologerna in einer aktuellen Pressemitteilung. Ihr auffälliges Design könnte Stärke, Fruchtbarkeit oder Männlichkeit verkörpern. Der Fund eines solchen Dolchs in der Festung Gullberg verweist auf persönliche Ausrüstung, Statussymbole und die kulturellen Ausdrucksformen jener Zeit.
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Umfassende Erkenntnisse gesammelt
Die Festung befand sich auf einem strategisch wichtigen Hügel mit Blick auf den Fluss Göta älv. Ihre Ursprünge reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück, als König Birger Magnusson dort ein Blockhaus mit Palisade errichten ließ. Im Lauf der Zeit diente Gullberg immer wieder als Grenzbefestigung, besonders während der Regentschaften von Johan III., Karl IX. und Gustav II. Adolf. Bis ins 19. Jahrhundert war das Gebiet militärisch genutzt.
Wissenschaftliche Analysen haben die Geschichte der Anlage weiter erhellt. Dendrochronologische Untersuchungen – also die Analyse von Jahresringen im Holz – datieren einzelne Bauteile auf die 1460er-Jahre. Erdaufschüttungen stammen vermutlich aus der Zeit um 1570 und wurden etwa 1610 verstärkt. Knochenfunde geben Hinweise auf die Ernährung der damaligen Bewohner*innen, und Keramikanalysen belegen sowohl Importware als auch lokale Produktion.
Wer sich für die Geschichte der Festung interessiert, kann einige der archäologischen Funde jetzt im Schwedischen Historischen Museum in Stockholm besichtigen. In einer kleinen Ausstellung sind dort ausgewählte Objekte sowie ein 3D-Modell der Festung aus dem 17. Jahrhundert zu sehen. So werden die Ergebnisse der Ausgrabung für interessierte Besucher*innen greifbar und lebendig.
Quelle: Arkeologerna
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