Ein Spaziergang über den Acker, ein Blick in den Boden – und plötzlich hält man Geschichte in der Hand. So oder so ähnlich könnte man wohl die Situation eines Bauern in Polen zusammenfassen. In der Nähe der Ostseestadt Kołobrzeg entdeckte er nämlich eine kleine Figur, die sich als spektakulärer archäologischer Fund herausstellen sollte. Was zunächst wie ein Stück Stein wirkte, entpuppte sich hinterher als seltenes Relikt aus der Jungsteinzeit.
Archäologischer Fund in Polen
Die rund 12 Zentimeter große Figur besteht aus beigefarbenem Kalkstein. Archäolog*innen tauften sie „Venus von Kołobrzeg“ – angelehnt an ähnliche neolithische Darstellungen mit betonten weiblichen Merkmalen. „Was hier entdeckt wurde, ist wirklich phänomenal, außergewöhnlich“, zitierte The Art Newspaper Aleksander Ostasz, Direktor des Polnischen Waffenmuseums. In einer Mitteilung des Museums wird sie gar als „die Entdeckung des Jahrhunderts“ betitelt.
Der archäologische Fund kam bereits Ende 2022 durch einen Landwirt ans Licht – mitten im Ackerland am Fluss Parsęta. Doch bis zur wissenschaftlichen Bestätigung vergingen fast drei Jahre. Forschungsteams aus dem ganzen Land untersuchten das Artefakt akribisch. „Wir brauchten viel Zeit, um die Echtheit der Figur und ihren Fundort zu bestätigen“, erklärte Marcin Krzepkowski von der Relicta-Stiftung laut The Art Newspaper. Letztlich waren sich die Expert*innen dann aber einig: Die Figur stamme aus der Jungsteinzeit und sei rund 6.000 Jahre alt.
Besonders macht diesen archäologischen Fund dabei aber nicht nur das hohe Alter, sondern auch sein Fundort. „Die Venus von Kołobrzeg ist ein einzigartiger Fund aus Polen, für den bisher keine Analogie gefunden wurde“, heißt es in der Mitteilung. Bisher kannte man solche Objekte vor allem aus Süddeutschland oder Österreich – etwa die berühmte Venus von Willendorf oder die Venus vom Hohle Fels. Die polnische Version ist dagegen derzeit ein Unikat.
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„Außergewöhnlichen ästhetischen Wert“
Die Figur zeigt keine Gesichtszüge, hat stark betonte Brüste und deformierte Gliedmaßen. Die Archäolog*innen vermuten, dass sie ursprünglich senkrecht aufgestellt war, möglicherweise befestigt auf einem Sockel. Laut einer Analyse im Polnischen Waffenmuseum könnten die Beine durch harte Schläge auf den Stein geformt worden sein – ein Hinweis auf grobe, aber gezielte Handwerkskunst in der Frühzeit.
„Traditionell gelten sie als symbolische Darstellungen von Weiblichkeit und Fruchtbarkeit. Sie könnten bei Ritualen oder Zeremonien verwendet worden sein, die Fruchtbarkeit feierten und das Überleben und den Wohlstand der lokalen Gemeinschaft sicherten. Die stilisierte Form der Venus von Kołobrzeg zeugt von hohem künstlerischen Können und besticht trotz ihrer Schlichtheit durch ihren außergewöhnlichen ästhetischen Wert“, heißt es in der Mitteilung.
Quellen: The Art Newspaper, Muzeum Oręża Polskiego w Kołobrzegu
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