Ein unscheinbarer Stein aus einer spanischen Höhle sorgt derzeit für Diskussionsstoff in der Fachwelt. Der archäologische Fund aus der Nähe von Segovia enthält einen vollständig erhaltenen Fingerabdruck – möglicherweise von einem Neandertaler. Was auf den ersten Blick wie eine simple Entdeckung wirkt, entfacht eine Debatte über das Denken, Fühlen und die Kreativität unserer prähistorischen Verwandten.
Archäologischer Fund überrascht Forschende
Der etwa zwanzig Zentimeter große Kiesel lag unter einem Felsvorsprung der Fundstätte Abrigo de San Lázaro. Laut der im Fachjournal Archaeological and Anthropological Sciences veröffentlichten Studie stammt der archäologische Fund aus einer rund 43.000 Jahre alten Erdschicht, die eindeutig Neandertalern zugeordnet wird.
Doch jetzt das Besondere an dem Objekt: Der rote Ockerfleck befindet sich exakt zwischen drei natürlichen Vertiefungen im Stein – zwei davon erinnern an Augen, eine an einen Mund. Genau dazwischen prangt der rote Punkt, wie eine Nase.
„Das sieht aus wie ein Gesicht“, zitiert Der Standard den Studienleiter David Álvarez-Alonso, der den ersten Gedanken seines Teams erklärt, als sie den Stein 2022 bei der Ausgrabung entdeckten. Die Forscher*innen vermuten nämlich, dass es sich bei der Platzierung des Fingerabdrucks nicht um einen Zufall handelt. Vielmehr könnte ein Neandertaler das Gesicht erkannt – und durch den roten Punkt ergänzt haben.
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Gewollte Symbolik oder einfach Spielerei?
Doch was den archäologischen Fund wirklich spannend macht, sind die Fragen, die er aufwirft: Haben Neandertaler abstrakt gedacht? Konnten sie in Objekten wie diesen Symbolik erkennen oder sogar gezielt darstellen? Welchen Stellenwert hatte Kreativität? Die Forschenden erklärten in ihrer Studie, dass „es sich dabei um eine der frühesten menschlichen Gesichtssymbolisierungen der Vorgeschichte handeln könnte.“
Doch nicht alle Expert*innen sind von der Erklärung überzeugt. Der US-Archäologe Bruce Hardy meint etwa: „Symbolismus liegt im Auge des Betrachters“, wie ihn Der Standard zitiert. Auch Andreas Pastoors von der Uni Erlangen-Nürnberg bleibt skeptisch: Ohne weitere Farbspuren an den „Augen“ und dem „Mund“ sei die Deutung unsicher. Trotzdem lobt er die Qualität des Fingerabdrucks – er sei einer der besten Nachweise dieser Art aus der Altsteinzeit.
Quelle: „More than a fingerprint on a pebble: A pigment-marked object from San Lázaro rock-shelter in the context of Neanderthal symbolic behavior“ (Archaeological and Anthropological Sciences, 2025); Der Standard
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