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So heiß wie tausend Sonnen: Forscher simulieren Urknall im Labor

Kurz nach dem Urknall war das Universum ein glühender Nebel aus reiner Energie. Physiker*innen versuchen heute, diese ersten Momente mit Teilchenkollisionen im Labor nachzustellen.

KI-Illustration des Urknalls.
© Ryan Punnington - stock.adobe.com

Die Entstehung der Erde

So entstand unser blauer Planet. Alles begann im Universum mit dem Urknall.Gas, Staub und andere Trümmer wurden durch das All geschleudert.

Stell dir vor, du könntest einen Blick in die allerersten Momente nach dem Urknall werfen – in eine Zeit, als das Universum noch ein brodelnder, glühender Nebel aus reiner Energie war. Genau diese Momente versuchen Wissenschaftler*innen mithilfe riesiger Teilchenbeschleuniger nachzustellen. Sie bringen Atomkerne mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zum Zusammenstoß und erzeugen dabei für einen Wimpernschlag Zustände, wie sie kurz nach der Entstehung des Kosmos herrschten. In dieser Hitze, über 1.000 Mal heißer als das Innere der Sonne, entstehen Teilchen, die den Schlüssel zu unserem Verständnis der Materie liefern könnten: die schweren Quarks.

Die Zeugen des Urknalls

Charm- und Bottom-Quarks zählen zu den massereichsten bekannten Teilchenbausteinen. Wenn sie in diesen Experimenten entstehen, durchqueren sie eine Umgebung, die sich rasch von einem glühenden Quark-Gluon-Plasma – also einer „Ursuppe“ aus freien Quarks und Gluonen – zu einer kühleren Teilchenwolke verwandelt. Ihre Trägheit macht sie besonders empfindlich für die kleinsten Veränderungen. Wie eine schwere Kugel in einem aufgewühlten See verraten sie mit jeder Kollision, was um sie herum geschieht.

Solche Experimente finden in Teilchenbeschleunigern wie dem Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) oder dem Large Hadron Collider (LHC) statt. In diesen Anlagen entstehen regelmäßig Quark-Gluon-Plasmen – Zustände, wie sie in den ersten Momenten nach dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren (nach ca. zehn Mikrosekunden) existierten. Beim anschließenden Abkühlen verbindet sich die Energie zu hadronischer Materie – zu Teilchen wie Protonen, Neutronen und Mesonen. Die schweren Quarks bewegen sich durch beide Phasen und liefern eine Art Zeitraffer-Protokoll der Übergänge.

Eine umfassende Übersicht über dieses Verhalten schwerer Quarks liefert die aktuelle Studie, die drei Physiker Ende Juni in der Fachzeitschrift Physical Reviews veröffentlicht haben. In ihrer Arbeit analysieren sie verschiedene theoretische Modelle, die beschreiben, wie Charm- und Bottom-Quarks mit der Umgebung wechselwirken – insbesondere in der oft unterschätzten hadronischen Phase. Die Ergebnisse zeigen auf, welche physikalischen Größen dabei entscheidend sind, wie stark der Energieverlust ausfällt und wie sich diese Erkenntnisse auf zukünftige Experimente anwenden lassen.

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Mehr als heiße Teilchen

„Um wirklich zu verstehen, was wir in den Experimenten sehen, ist es entscheidend zu beobachten, wie sich die schweren Teilchen auch in den späteren Phasen dieser Kernkollisionen bewegen und wechselwirken“, erklärt Juan M. Torres-Rincón, Mitglied der Abteilung für Quantenphysik und Astrophysik und des Institut de Ciències del Cosmos der Universitat de Barcelona (ICCUB).

Lange galt das heiße Quark-Gluon-Plasma als der spannendste Zustand. Inzwischen wird klar: Auch die spätere, kühlere Phase – die hadronische – beeinflusst messbare Signale erheblich. Wer sie ignoriert, übersieht wichtige Hinweise auf die Entstehung strukturierter Materie nach dem Urknall.

Um die Dynamik in dieser späten Phase zu verstehen, setzen Forscher*innen auf sogenannte effektive Feldtheorien. Diese mathematischen Modelle beruhen auf den Symmetrien der Quantenchromodynamik (QCD) – der Theorie der starken Wechselwirkung – und beschreiben, wie schwere und leichte Teilchen miteinander streuen. So entstehen Vorhersagen über Energieverluste, Impulsübertragung und Resonanzen wie das D₀(2300), die später im Detektor nachweisbar sind. Mithilfe von Unitarisierungsverfahren lassen sich diese Modelle auch bei höheren Energien zuverlässig anwenden.

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Neue Experimente, neue Einblicke

Studien zeigen, dass die hadronische Phase bis zu 40 Prozent zur beobachteten Reibung (Drag) und Streuung (Diffusion) schwerer Quarks beitragen kann. Je nachdem, ob Mesonen, Baryonen oder Resonanzen berücksichtigt werden, verändert sich das Gesamtbild deutlich. Besonders spannend: Die sogenannte Diffusion verlangsamt sich gerade dann, wenn das Plasma in feste Teilchen übergeht – also in dem Moment, in dem die stärksten Wechselwirkungen stattfinden. Auch nach dem Abkühlen liefern die Quarks messbare Informationen – Botschaften aus der Zeit nach dem Urknall.

Die nächsten Jahre könnten noch tiefere Einblicke bringen. Geplante Experimente an der Facility for Antiproton and Ion Research (FAIR) in Darmstadt oder bei NA60+ am Super Proton Synchrotron (SPS) des CERN konzentrieren sich auf niedrigere Kollisionsenergien. Dort dominieren Baryonen – also schwerere Teilchen wie Protonen und Neutronen – und eröffnen neue Perspektiven auf die Wechselwirkungen. Simulationen deuten darauf hin, dass gerade in diesem Bereich wichtige Puzzlestücke zur Struktur der Materie und den Kräften, die das Universum bis heute formen, gefunden werden könnten.

Quellen: „Charm and bottom hadrons in hot hadronic matter“ (Physics Reports, 2025); Universitat de Barcelona

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