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Forscher warnt vor Plänen der Gas-Ministerin – „schlechte Idee“

Die Bundesregierung will Erdgas wieder stärker in den Mittelpunkt der Energiepolitik rücken. Doch Fachleute wie Volker Quaschning schlagen Alarm – und sehen darin einen gefährlichen Irrweg.

Friedrich Merz (l.) und Katherina Reiche (r.)
© IMAGO/Andreas Gora / futurezone.de [M]

Heizung: Dieser kleine Trick sorgt für mehr Wärme

Eine simple Methode reicht, um die eigene Heizung um einiges effizienter zu machen. Viele wissen allerdings nicht, wie es geht.

Deutschland steht erneut vor einer Richtungsentscheidung in der Energiepolitik – und der Weg, den die Merz-Regierung einschlagen will, sorgt für Kritik. Der Energieexperte Volker Quaschning, seines Zeichens Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, warnt vor einer Rückkehr zum Erdgas. Seiner Ansicht nach gefährdet der geplante Kurs nicht nur die Klimaziele, sondern schafft auch neue Abhängigkeiten und Risiken. Und ein genauer Blick auf aktuelle Studien und Entwicklungen zeigt: Seine Bedenken sind keineswegs unbegründet.

Mehr Erdgas – mehr Sicherheit?

Wirtschaftsministerin Katharina Reiche sieht in Erdgas eine verlässliche Brückentechnologie. Schon jetzt kommt fast die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Erdgases über Pipelines aus Norwegen – konkret waren es im Jahr 2023 rund 48 Prozent. Weitere 25 Prozent machten der Bundesnetzagentur zufolge Importe aus den Niederlanden aus, 18 Prozent stammten aus Belgien.

Was auf den ersten Blick nach stabiler Versorgung aussieht, ist laut Quaschning eine riskante Einseitigkeit: „Werden da Schiffsanker zufällig falsch geworfen, bedroht das unsere Energieversorgung“, sagt er in seinem aktuellen Video mit Blick auf die empfindliche Infrastruktur unter der Nordsee.

Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren mehrere Zwischenfälle, die die Verwundbarkeit solcher Leitungen deutlich gemacht haben – von beschädigten Gasleitungen bis hin zu ungeklärten Sabotageakten.

Zum Vergleich:
Die von Offshore-Windparks ausgehenden Stromkabel liegen meist flach auf dem Meeresboden oder sind sogar eingegraben, vor allem in küstennahen Bereichen mit Schiffsverkehr. Ihre Standorte sind in Seekarten verzeichnet, und Ankern ist dort in der Regel verboten. Zudem sind viele Windparks redundant angebunden, sodass ein einzelner Kabelschaden nicht sofort zu einem Totalausfall führt – anders als bei Gasleitungen, bei denen schon ein einzelner Zwischenfall ganze Versorgungsketten unterbrechen kann.

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Flüssigerdgas aus den USA – Retter oder Klimakiller?

Ein wachsender Teil des Gases kommt inzwischen als Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) nach Deutschland – vor allem aus den USA. Dort wird es mithilfe von Fracking gewonnen und energieintensiv verflüssigt, bevor es verschifft wird. Über die LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Lubmin und Mukran importierte Deutschland 2023 rund acht Prozent des gesamten Erdgases, so die Bun­desnet­za­gen­tur weiter.

Eine im Fachmagazin Nature veröffentlichte Studie kam Anfang 2025 zu dem Schluss, dass LNG über den gesamten Produktions- und Transportweg hinweg deutlich klimaschädlicher ist als Pipelinegas – vor allem wegen Methan-Leckagen.

In manchen Szenarien ist LNG kurzfristig sogar klimaschädlicher als Kohle. Dennoch hält die Bundesregierung an LNG fest und treibt den Bau neuer Terminals voran.

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Kollisionskurs mit dem Klimaschutz

Reiche hat zudem Zweifel am aktuellen Tempo des Ausbaus erneuerbarer Energien geäußert – es sei „ völlig überzogen“, behauptete sie im Rahmen des Tages der Industrie des Bundesverbandes der Industrie (BDI). Doch die Realität spricht eine andere Sprache: Im ersten Halbjahr 2025 lag der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix bei 60,9 Prozent, im Vorjahr waren es noch 65 Prozent. Der Ausbau stockt, und Verbände warnen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge bereits, dass die Ziele für 2030 in Gefahr sind.

Das deutsche Klimaschutzgesetz schreibt Klimaneutralität bis 2045 vor. Doch der Expertenrat für Klimafragen berichtet Jahr für Jahr, dass wichtige Sektoren – etwa Gebäude und Verkehr – ihre Emissionsziele verfehlen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) geht in einer Stellungnahme sogar noch weiter: Um die Vorgaben des Pariser Abkommens einzuhalten, müsste Deutschland deutlich früher klimaneutral werden.

Trotzdem plant Reiche Lockerungen beim Heizungsgesetz. Neue Gasheizungen könnten auch in Zukunft eingebaut werden – selbst dann, wenn sie nur zum Teil mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das schwächt die Wärmewende, sorgt für Unsicherheit bei Hersteller*innen und Eigentümer*innen – und konterkariert gesetzliche Vorgaben.

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Rechtlich wacklig, wirtschaftlich heikel

Einen weiteren Pfeiler ihrer Strategie sieht die Ministerin in der Wiederaufnahme der heimischen Gasförderung. Neue Bohrungen in der Nordsee sollen dabei helfen, die Importabhängigkeit zu reduzieren. Doch selbst im besten Fall könnten diese Projekte nur einen kleinen Teil des Bedarfs decken – und das auch nur für begrenzte Zeit.

Die International Energy Agency (IEA) warnt seit Langem: Wer das Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 ernst nimmt, darf keine neuen fossilen Förderprojekte mehr starten. Neue Bohrungen in Deutschland wirken vor diesem Hintergrund wie ein energiepolitisches Relikt vergangener Jahrzehnte.

Auch rechtlich ist der Kurs der Bundesregierung nicht ohne Risiko. Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 klar gemacht: Klimaschutz darf nicht auf später verschoben werden – künftige Generationen dürfen nicht die Hauptlast heutiger Untätigkeit tragen. Neue fossile Infrastruktur könnte mit diesem Urteil kaum vereinbar sein.

Wirtschaftlich droht ebenfalls eine Schieflage. Die Wärmepumpenbranche hat massiv investiert, Fachkräfte wurden geschult, Produktionslinien umgestellt. Wenn nun fossile Alternativen politisch wieder gestärkt werden, drohen diese Investitionen zu verpuffen. Gleichzeitig könnten neue Gasheizungen oder Förderprojekte schon in wenigen Jahren zu „Stranded Assets“ werden – teuer, aber nutzlos.

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Energiepolitischer Rückschritt

Quaschnings Warnung vor der neuen Erdgasstrategie ist nicht bloß Meinung – sie ist durch Fakten und Studien gut untermauert. Der geplante Kurs der Merz-Regierung setzt auf eine Technologie, die weder klimafreundlich noch langfristig wirtschaftlich tragfähig ist. Die Entscheidung für Erdgas als zentrales Element der Energiepolitik ist mehr als nur ein pragmatischer Zwischenschritt – sie ist ein energiepolitischer Rückschritt.

Ob Versorgungssicherheit, Klimaschutz oder wirtschaftliche Planbarkeit – der Weg zurück zum Erdgas löst keines dieser Probleme dauerhaft. Im Gegenteil schafft er neue. Die Botschaft aus der Wissenschaft fasst der promovierte Energieexperte in einem Satz zusammen: „Schlechte Idee, aber das blendet unsere Wirtschafts- und Energieministerin Katharina Reiche einfach aus.“

Quellen: Bundesnetzagentur; YouTube/Prof. Dr. Volker Quaschning; „Greenhouse gas emissions from the US liquefied natural gas operations and shipping through process model based life cycle assessment“ (Nature, 2025); YouTube/Bundesverband der Industrie (BDI); Reuters; Expertenrat für Umweltfragen; Sachverständigenrat für Umweltfragen; International Energy Agency; Bundesverfassungsgericht

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