Am 24. Juli 2025 hat die Menschheit rechnerisch alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die die Erde innerhalb eines Jahres regenerieren kann. Der sogenannte Erdüberlastungstag fällt damit früher als je zuvor – das Global Footprint Network beziffert die Übernutzung mittlerweile mit 1,8 Erden. Während Umweltverbände und grüne Politiker*innen Alarm schlagen, gerät die neue Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz unter Druck. Ihre Entscheidungen – oder besser ihr Zögern – könnten nicht nur ökologische Folgen haben, sondern auch ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen in Deutschland.
Friedrich Merz‘ Regierung begeht „fatalen Fehler“
„Wir verschwenden unsere Ressourcen, als gäbe es kein Morgen“, warnt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die globale Übernutzung ist messbar: Würde die gesamte Welt so leben wie die deutsche Bevölkerung, wären drei Erden nötig. Dass der Erdüberlastungstag 2025 auf den 24. Juli fällt, ist aus Sicht der Kritiker ein deutliches Zeichen für politische Untätigkeit.
Jan-Niclas Gesenhues, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, greift vor diesem Hintergrund ganz direkt die neue Bundesregierung an. Gegenüber FR.de sagt er: „Merz macht sich mitschuldig daran, dass der Erdüberlastungstag immer früher im Jahr eintritt.“ Statt auf mehr Kreislaufwirtschaft, Klima- und Naturschutz zu setzen, drehe die Bundesregierung ökologische Errungenschaften zurück.
Unterstützung erhält Gesenhues von Organisationen wie Misereor und dem WWF Deutschland. Das katholische Hilfswerk fordert ein nationales Ressourcenschutzgesetz mit verbindlichen Absenkpfaden für den Rohstoffverbrauch. Der WWF kritisiert geplante Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit als „fatalen Fehler“. Deutschland gehöre zu den Staaten mit den höchsten ökologischen Schulden weltweit.
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Wie gerechtfertigt sind die Vorwürfe?
Ein genauer Blick auf die ersten Monate der neuen Regierung zeigt ein differenziertes Bild. Der Klimakurs ist nicht aufgehoben – Ziele wie die Klimaneutralität bis 2045 gelten weiterhin. Allerdings will die Bundesregierung unter Friedrich Merz zentrale Gesetze wie das weithin als „Heizungsgesetz“ bekannte Gebäudeenergiegesetz überarbeiten. Die angekündigte Reform soll technologieoffen sein und mehr Wahlfreiheit bei der Heizungswahl ermöglichen. Kritiker*innen sehen darin ein Risiko für Verzögerungen und steigende Emissionen – zumal der aktuelle Entwurf des Klimaschutzberichts 2025 den Regierungskurs als nicht ausreichend einstuft.
Auch im Bereich Kreislaufwirtschaft bleibt der große Durchbruch bislang aus. Zwar existiert weiterhin die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, doch neue Förderprogramme oder verbindliche Ziele fehlen bisher. Gesenhues kritisiert, die Bundesregierung mache „genau das Gegenteil“ von dem, was nötig wäre.
Beim Thema Tiefseebergbau fordern Grüne und Umweltverbände eine klare Absage. Zwar hält die Regierung offiziell an einem Moratorium fest, doch eine dauerhafte Positionierung steht aus. Auch die jüngste Sitzung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) endete ohne Einigung – ein echter Kurswechsel bleibt aus. Ähnlich verhält es sich mit den Verhandlungen der Vereinten Nationen über ein weltweites Abkommen gegen Plastikverschmutzung: Deutschland gehört zwar zur „High Ambition Coalition“, konkrete Initiativen fehlen jedoch weiterhin.
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Spürbare Folgen für Haushalte
Für viele Haushalte zeigen sich erste Auswirkungen bereits auf der Stromrechnung. Die ursprünglich geplante Senkung der Stromsteuer für Privathaushalte wurde verworfen – trotz gegenteiliger Ankündigung im Wahlkampf. Die Steuer bleibt bei rund zwei Cent pro Kilowattstunde. Ein durchschnittlicher Haushalt mit 3.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch zahlt damit etwa 70 Euro mehr im Jahr, als bei einer Absenkung auf den EU-Mindestsatz nötig wäre.
Eine teilweise Kompensation erfolgt durch staatlich übernommene Netzentgelte – die tatsächliche Entlastung liegt aber laut Studien bei unter zwei Cent pro Kilowattstunde.
Ab 2026 soll die Pendlerpauschale auf 0,38 Euro pro Kilometer steigen – ein finanzieller Vorteil vor allem für Vielfahrer*innen mit höherem Einkommen. Der Beschluss sieht zudem vor, dass die erhöhte Pauschale ab dem ersten Kilometer gilt, was auch Kurzstreckenpendler entlastet. Für Menschen mit niedrigem Einkommen könnten geplante Kürzungen beim Bürgergeld zum Problem werden.
Die Reform sieht unter anderem strengere Zumutbarkeitsregeln und Mietobergrenzen vor. Ein Gesetzentwurf soll im Herbst ins Kabinett eingebracht werden; Einsparungen in Milliardenhöhe stehen im Raum.
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Viele klimapolitische Versäumnisse sind strukturell bedingt, lange bekannt – und nicht allein der Verantwortung der noch jungen Bundesregierung unter Friedrich Merz zuzuschreiben:
- Wohnen & Sanierung: Die Sanierungsquote stagniert seit Jahren. Bürokratie, Förderunsicherheit und fehlende Anreize bremsen den Fortschritt.
- ÖPNV & Verkehr: Jahrzehntelange Unterfinanzierung durch Bund und Länder erschwert den Ausbau. Folge: teurer Nahverkehr, gerade im ländlichen Raum.
- Kreislaufwirtschaft: Die Strategie ist da – aber Umsetzung, klare Ziele und verbindliche Regeln fehlen seit Jahren. Industrie und Konsumverhalten tragen ebenfalls Verantwortung.
- Sozialausgleich: Ein Klimageld wurde mehrfach angekündigt, aber nie umgesetzt – auch unter früheren Regierungen. Der CO2-Preis steigt trotzdem weiter. ETS-2 sorgt zusätzlich für Preisdruck bei Tanken und Heizen – der Spielraum für nationale Entlastung bleibt begrenzt.
- Hitzevorsorge: Viele Städte sind unvorbereitet. Fehlende Grünflächen und Aktionspläne sind eher Folge kommunaler Versäumnisse als bundespolitischer Entscheidungen. Immerhin wurde im Juli eine bundesweite Hitzeschutz-Roadmap vorgelegt, die konkrete Maßnahmen für Kommunen vorsieht.
- Energiepreise: Die Stromsteuersenkung für Haushalte wurde gestrichen – doch auch vorher wurde kaum entlastet. Strukturelle Strompreisfaktoren bleiben ungelöst.
- EU-Einfluss: Der Emissionshandel auf EU-Ebene (ETS 2) treibt Preise für Tanken und Heizen – national bleibt wenig Spielraum, außer beim sozialen Ausgleich.
Zwischen Symbolik und Realität
Der Erdüberlastungstag ist ein starkes Symbol – aber kein exakter Maßstab für die Wirkung einzelner Regierungen. Seine Berechnung basiert unter anderem auf der Differenz zwischen Ressourcennutzung und der Fähigkeit der Erde zur Regeneration. In Deutschland lag der nationale Overshoot Day 2025 bereits am 3. Mai. Damit gehört die Bundesrepublik zu den Ländern mit der weltweit schlechtesten Bilanz.
Kritiker*innen werfen dem Modell jedoch vor, technologische Entwicklungen und Effizienzgewinne zu wenig zu berücksichtigen. Dennoch: Dass der globale Ressourcenverbrauch weiterhin steigt, ist unstrittig – und dass politische Entscheidungen ihn mitbestimmen, ebenso. Die Verantwortung liegt dabei nicht allein bei der aktuellen Regierung, aber sie trägt maßgeblich dazu bei, ob der Trend sich künftig ändert.
Wie sich der Kurs des Bundeskanzlers Friedrich Merz weiterentwickelt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Die Forderungen der Umweltverbände sind klar – jetzt liegt es an der Regierung, ob sie diese auch berücksichtigt. Ein ressortübergreifendes Ressourcenschutzgesetz wäre aus Sicht vieler Organisationen der erste notwendige Schritt.
Quellen: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland; Frankfurter Rundschau (FR.de); Misereor; World Wide Fund for Nature
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