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Mit den Gedanken googeln: Neuartige Headsets versprechen es

Wie wäre es, eine brennende Frage, die einem gerade durch den Kopf spukt, auch im Geiste beantwortet zu bekommen? Nicht nur ein Patent von Microsoft soll genau das ermöglichen. Dabei geht es auch darum, was nach künstlicher Intelligenz überhaupt noch kommen kann.

Mann mit einem Fragezeichen auf der Stirn
Auch unsere Gedanken sind mittlerweile Gegenstand von Forschung und Konzernen. Foto: imago/Photocase

Es war schon immer einer der Träume der Menschheit, irgendwann einmal nur mit den eigenen Gedanken die eigene Umwelt zu beeinflussen. Dabei geht es zunehmend um die Verschmelzung von der realen mit der digitalen Welt, in der digital gespeichertes Wissen in die analoge Realität integriert wird. Den Anfang haben wir bereits gemacht, mit dem Internet der Dinge samt vernetztem Smart Home, Connected Cars und vielem mehr, das noch lange nicht ausgereift ist. Das wird wahrscheinlich unsere Zukunft sein.

Und das ist auch der Grund, weshalb immer mehr Unternehmen, von kleinen Start-ups bis zu großen Konzernen, Innovationen in diesem Bereich vorantreiben, vor allem mit Virtual- und Augmented Reality-Anwendungen, die die Verschmelzung erst ermöglichen. Die Voraussetzungen dafür, das Virtuelle auch in der „echten“ Welt greifbar machen zu können, sind unser Gehirn und seine Signale.

Facebook: Hirnsignale in Schrift umwandeln

Facebook beispielsweise arbeitet daran, Hirnsignale direkt in Schrift umzuwandeln – Gedanken ausforschen wolle das Unternehmen aber nicht. Vor dem Hintergrund desaktuellen Datenskandals ist Facebook im Zugzwang und es ist davon auszugehen, dass es dieses Versprechen auch hält.

Microsoft: Headsets wie smarte Stirnbänder

Microsoft wiederum reklamiert das Gedankenlesen bereits seit über zehn Jahren für sich, das beweist ein Patentantrag aus dem Jahr 2007. Die Schwarzweiß-Zeichnung sah damals allerdings noch so aus: Mann sitzt vor Computer, mit vier Kabeln am Kopf, die seine Gehirnströme messen. Es ging dem Unternehmen darum, mithilfe der Gehirnwellen eine neue Messmethode für Software-Tests zu entwickeln und – als übergeordnetes Ziel – neue Interaktionen zwischen Mensch und Maschine zu erforschen.

Die Beweggründe waren dieselben wie bei einem neuen Patent, das im Januar diesen Jahres an die Öffentlichkeit kam. Der Unterschied: Was 2007 noch als maschineller Kopfaufsatz mit Kabeln geplant war, ist heute nicht viel mehr als ein smartes Stirnband. In welcher Weise, es die neurologischen Daten, also auch Hirnsignale, des Trägers sammeln und nutzen würde, steht im Detail nicht in dem Dokument. Microsoft verweist lediglich auf Methoden wie das EEG, die kleinen Metallplättchen, die man zur Hirnstrommessung aus der Medizin kennt. Mit der Filtermethode könnten Nutzerreaktionen auf die Software wie Überraschung oder Frustration aus den Gedanken heraus ableiten.

Mit dem Microsoft-Headset sollen wir beispielsweise unsere Computerspiele und Apps freihändig bedienen können. Auch die Interaktion mit VR- und AR-Apps soll es ermöglichen bis hin zur Industrie 4.0 und der Kontrolle von Maschinen und maschinellen Tools allein durch unsere Gedanken. Invasiv, also mit einem medizinischen Eingriff in den Körper verbunden, ist das Headset nicht. Schnell genug, um Menschen per Gedanken hundert Wörter in der Minute tippen zu lassen, der Vision von Microsoft nach, allerdings schon.

MIT: Headset mit Signalen von Kiefer und Gesicht

Wieder anders sieht das erst kürzlich vorgestellte Projekt aus, das studentische Forscher der sogenannten Fluid Interfaces Group am MIT Media Lab entwickelt haben. Das Ziel ist dasselbe: ein Computersystem schaffen, dass Wörter, die Nutzer denken, transkribiert. Schicker ist allerdings das Gerät mit Namen AlterEgo selbst. Jedenfalls mutet es mehr einem wirklichen Headset an, es umschließt das Ohr, läuft um die eine Gesichtshälfte herum und schließt nahe des Mundes ab.

Das MIT liefert auch mehr Details zur Funktionsweise, als es bisher Facebook, Microsoft und andere bisher unerwähnt ließen. Elektroden in dem Headset nehmen die neuromuskularen Signale des Kiefers und restlichen Gesichts, die durch interne Verbalisierungen – also Wörter, die im Kopf gesagt werden – auf. Diese werden dann in ein System, das auf maschinellem Lernen basiert, eingespeist, das gelernt hat, bestimmte Signale bestimmten Wörtern zuzuordnen.

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Mehr noch beinhaltet AlterEgo knochenleitende Kopfhörer, die durch die Gesichtsknochen ausgelöste Vibrationen zum Innenohr übertragen. Weil diese den Gehörgang nicht blockieren, können sie das System dazu bringen, Informationen an den Nutzer zu übertragen, ohne ihn oder sie in einer Konversation oder anderen Hörerfahrung zu stören. Das Gerät kann seinem Träger, der in Gedanken nach der Uhrzeit fragt, diese lautlos sagen. Im Supermarkt errechnet das System für den Nutzer in Gedanken den Gesamtwert der ausgewählten Waren und sagt ihn lautlos an.

IA ist die Zukunft von KI

Den Entwicklern war es wichtig, ein Gerät zu bauen, das mehr als künstliche Intelligenz (KI) innehat. Deshalb nutzten sie Intelligence Augmentation. Gemeint ist das, was viele Forscher als die Zukunft von KI ansehen: die Kombination der jeweiligen Stärken von Menschen und Computern, nämlich Wissen und Informationen, indem beide Parteien ihre Daten darüber austauschen und somit immer mehr verschmelzen. „Unsere Idee war: Können wir eine internere Computerplattform haben, die Mensch und Maschine in gewissem Maße verschmelzt und die sich wie eine interne Erweiterung unserer eigenen Wahrnehmung anfühlt?“, sagte Arnav Kapnur, einer der am Projekt mitwirkenden Studenten in einer Pressemitteilung des MIT Media Lab.

Dort setzt auch Pattie Maes, Professor für Media Arts and Sciences an: „Wenn ich etwas nachschauen will, das relevant für meine Konversation ist, muss ich erstmal mein Smartphone finden, es entsperren, eine App öffnen und das Keyword in eine Suchmaske eingeben. Das erfordert, das ich meine Aufmerksamkeit für diesen Moment von meiner Umwelt abwende und die der Menschen um mich herum sich wiederum auf das Telefon richtet. Deshalb haben meine Studenten und ich eine sehr lange Zeit dafür aufgewendet, neue Erlebnisse zu schaffen, die es Menschen ermöglichen, von den wundervollen Wissen und Dienstleistungen der Geräte zu profitieren und trotzdem in der Gegenwart präsent zu bleiben.“

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Gehirndaten schützen

Nicht nur für Menschen mit Behinderung bergen die Entwicklungen auf dem Gebiet des lautlosen Redens und er IA also großes Potenzial. Eine altbekannte Gefahr bleibt allerdings, die immer besteht, wenn sich ein Technologiesprung ankündigt: Die Gefahr des Datenmissbrauchs. Auch durch die Vorstufe KI könnte unsere Gehirnaktivität bald besser erfasst werden als unsere Handy- oder Facebookdaten. Eine entsprechende ethische und rechtliche Grundlage fehlt bisher. Neurowissenschaftler fordern deshalb einen umfassenden Datenschutz, damit Manipulationen vorgebeugt werden kann.

„Unsere persönlichsten Daten überhaupt“, wie Philipp Kellmeyer, Wissenschaftler an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg, die Gehirndaten bezeichnete, gewinnen für Forschung wie Konzerne zunehmend an Bedeutung. Für den Einzelnen ist diese Entwicklung, wie immer, Chance und Risiko zugleich.

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