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Gefährlicher als Viren: Eines halten Forscher für die „ausnahmslos größte Bedrohung“

Spezielle Keime haben laut Expert:innen Folgen, die jene durch Viren deutlich übertreffen. Prognosen für die kommenden Jahre sind wenig optimistisch. So könnten ihnen mehrere Millionen Menschen jährlich zum Opfer fallen.

Multiresistente Keime (MRSA-Keime) könnten bis 2050 großen Schaden anrichten. © Getty Images/klebercordeiro

An sogenannten multiresistenten Keimen sterben inzwischen mehr Menschen als an AIDS oder Malaria. Allein 2019 wurden 1,2 Millionen Tote durch entsprechende Entzündungen gezählt. Für die Wissenschaft stellt antimikrobielle Resistenz schon lange eine der größten Bedrohungen menschlicher Gesundheit dar.

Multiresistente Keime: Darum sind sie so gefährlich

Laut Robert Koch-Institut (RKI) kommt es allein in Deutschland jährlich zu rund 400.000 bis 600.000 Infektionsfällen in Krankenhäusern, von denen etwa 10.000 bis 20.000 tödlich verlaufen. Am häufigsten involviert sind dabei keine Viren, sondern die folgenden Erreger, die zu den multiresistenten Keimen gehören:

  • Escherichia coli
  • Entero­coccus faecalis
  • Entero­coccus faecium
  • Clostridioides difficile
  • Staphylo­coccus aureus

Diese verfügen über die Fähigkeit, sich gegen Antibiotika, die andere Organismen produzieren, zu schützen. Während solche Resistenzen auf ganz natürliche Art durch Mutationen und Aufnahme von entsprechenden Genen aus der Umgebung der Bakterien entstehen, kann der Einsatz von Antibiotika durch den Menschen ein Problem darstellen.

Zu lange oder falsche Anwendung begünstigt die Entstehung und weitere Verbreitung von MRSA-Keimen. Je mehr ein Erreger (Pathogen) einer speziellen Behandlung ausgesetzt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Resistenz zustande kommt.

Dafür kann auch die Verseuchung von Gewässern mit Antibiotika sorgen, wie das World Economic Forum berichtet. Analysen zufolge überschritten 65 Prozent der untersuchten Flüsse das Sicherheitslevel.

Bekannte Symptome einer Infektion durch multiresistente Keime

Ob jemand mit MRSA-Keimen in Kontakt gekommen ist, zeigen verschiedene Symptome. Diese können zum Teil sehr schwerwiegend sein und gerade für Personen höheren Alters gefährlich werden. Handelt es sich nur um einen oberflächlichen Befall, sind die Keime für gesunde Menschen oftmals harmlos. Die Beschwerden selbst variieren je nachdem, wo am Körper die Infektion auftritt.

  • Allgemeine Anzeichen: Fieber, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen
  • Schmerzen und Eiterbildung an Operationswunden
  • Lokale Infektionen der Haut
  • Entzündungen von Mittelohr, Nasennebenhöhlen, Hirnhaut oder Brustdrüse
  • Durch MRSA-Keime verursachte Lungenentzündung
  • Eher selten: Kreislauf- oder Nierenversagen mit hohem Fieber

MRSA-Keime fataler als Viren: Das sagt die Forschung

Forscher:innen warnen schon seit geraumer Zeit vor MRSA-Keimen. Sie sollen für die Gesundheit des Menschen sogar ein deutlich höheres Risiko darstellen als die aktuellen Ausbrüche von Vireninfektionen: „Wenn sie glauben, Covid 19 ist schlimm, wollen sie mit antimikrobieller Resistenz (AMR) nichts zu tun haben“, erklärte Dr. Paul De Barro, Forschungsleiter für Biosicherheit der staatlichen australischen Forschungsorganisation CSIRO, schon 2020 gegenüber The Guardian.

Die Krankheit durch die Viren reiche nicht einmal annähernd an die potenziellen Auswirkungen von AMR, sagte de Barro weiter. „Wir würden zurückgeworfen ins Mittelalter der Medizin.“ Auch wenn AMR bereits weltweit eine Bedrohung darstellt, könnten vor allem die fragilen Gesundheitssyteme im pazifischen Raum, wo das Problem akut ist, durch multiresistente Keime über ihre Schmerzgrenze hinweg belastet werden.

Globale Folgen durch multiresistente Keime

Die globalen Folgen für die öffentliche Gesundheit durch multiresistente Keime seien immens, wenn man sich anschaue, welche Rolle Antibiotika heute spielen. Ohne deren Wirkung könnten bereits einfache Kratzer oder die Geburt eines Kindes zum Tod führen. Das Resultat laut de Barro: Ein massiver Druck auf das Gesundheitssystem.

Das Problem ist, dass Maßnahmen gegen Viren wie zum Beispiel soziale Distanzierung gegen AMR nicht helfen kann, denn Bakterien existieren in Lebensmitteln, Wasser, in der Luft und auf sämtlichen Oberflächen, die im Alltag eine Rolle spielen. Bereits jetzt gehen untere Schätzungen davon aus, dass jährlich mindestens 700.000 Menschen weltweit durch multriresistente Keime sterben. Ohne wirksame Antibiotika könnte diese Zahl auf zehn Millionen Todesfälle pro Jahr steigen.

Steigende Todeszahlen durch mehr Antibiotika?

Durch den verstärkten Einsatz von Antibiotika im Kampf gegen Viren kann die bakterielle Resistenz dagegen zunehmen und zu mehr Todesfällen führen, wie auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon gewarnt hat, berichtet The Guardian weiter. Bis zu 250 Millionen Tote bis 2050 wurden durch AMR vorhergesagt.

Eine Forscherin entdeckte vor einiger Zeit immerhin, dass ein 1.000 Jahre altes Rezept womöglich gegen Antibiotikaresistenz helfen könnte. Ob dieses am Ende wirklich sinnvoll ist, die geschätzten Entwicklungen der kommenden Jahre zu mildern, bleibt abzuwarten.

Quellen: Robert Koch-Institut (RKI), The Guardian, The Lancet, World Economic Forum, Helios, Pflege.de

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