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Kernphysik: Experiment schafft mysteriöse Anomalie in Atomkern – Forscher können es nicht erklären

In der Kernphysik steht die Forschung rund um den Atomkern im Mittelpunkt. Doch in diesem Fall weichen die Ergebnisse weit vom Vermuteten ab.

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Theorien in der Kernphysik müssen wegen neuster Erkenntnisse überarbeitet werden. © Siarhei - stock.adobe.com

Eine Aufgabe der Kernphysik ist es den Atomkern genau zu erforschen. Bisher wissen wir: In ihm befinden sich Protonen und Elektronen. Forschende haben sich in einem Experiment den positiv geladenen Teilchen, also den Protonen gewidmet. Doch die Ergebnisse sorgen dafür, dass man nun alles Bisherige zwangsläufig in Frage stellen muss.

Kernphysik: Das passiert unter Elektronenbeschuss mit einem Proton

Das Innenleben der Protonen ist in der Kernphysik bisher nicht vollständig erforscht. Bisher weiß man, dass die Teile im Atomkern wiederum aus Gluonen und Quarks bestehen. Diese bilden stets kurzweilige Paare, bevor sie wieder auseinandertreiben, erklärt scinexx. Doch der Rest ist vorerst unbekannt. Wann und wie genau die beiden Teilchen miteinander interagieren oder wie das Proton exakt aufgebaut ist, entzieht sich unserem aktuellen Kenntnisstand.

Die Fragen um den Aufbau des Protons zu klären, nahm sich das Team um die Wissenschaftlerin Ruonan Li vor. Die Forscherin an der University of Pennsylvania entschied sich daher dazu Wasserstoff-Protonen mit unterschiedlich starken Elektronenstrahlen zu beschießen. Ist die Energie stark genug, dringt sie ins Proton ein und interagiert dort mit den Quarks und Gluonen. Dabei wiederum entstehen Photonen, die uns verraten, wie verformbar das Proton ist.

Diese „Verformbarkeit“ nennt sich auch Polarisierbarkeit und gibt den Forschenden letztendlich Aufschluss über den Aufbau des Protons – insofern denn alles läuft, wie Grundpfeiler der Kernphysik das vorgeben. Doch hier ging etwas ganz anderes vonstatten.

Keine wechselnde Polarisierbarkeit

Eigentlich hätte das Wasserstoff-Proton mit jedem Beschuss die Polarisierbarkeit ändern müssen. Also die Ladungen (positiv, negativ) hätten sich verschieben sollen. Doch stattdessen gibt es nur ein kurzes Aufflackern. In den Messdaten von Li und ihrem Team zeigt sich dieser zackenartige Peak bei jedem Beschuss. Die Polarisierbarkeit nimmt also für einen ganz kurzen Moment zu, aber auch genauso rasch wieder ab.

„Damit sehen wir hier etwas, das deutlich vom vorhergesagten einfachen Verhalten abweicht“, erklärt Li und impliziert damit, dass man dadurch geltende Annahmen der Kernphysik überdenken muss. „Die Messungen sprechen für die Präsenz eines neuen, noch nicht verstandenen dynamischen Mechanismus im Proton“, heißt es weiterhin.

Überarbeitung vonnöten

Bereits vorangegangene, aber weniger präzise Experimente aus der Kernphysik ließen bereits die Vermutung zu, dass uns hier bisher etwas entgangen ist. Li und ihr Team gehen aktuell von einer unbekannten Unterstruktur als Erklärung für diese Anomalie aus.

Die Forschenden fassen in ihrer Studie über die Anomalie zusammen: „Ihre Existenz unterstreicht aber auch, dass wir eine verbesserte Theorie brauchen, um diese fundamentale Eigenschaft des Protons verlässlich zu beschreiben“. Dies ist jedoch ein ganz normaler Prozess in der naturwissenschaftlichen Forschung.

Physik-Ikone Stephen Hawking erklärte in seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ (1988) bereits, dass zum Widerlegen einer Theorie nur ein Fall eintreten muss, der sie nicht mehr unterstützt. Dann muss man auch in der Kernphysik die Annahmen entweder verwerfen oder die Theorie modifizieren.

Quelle: scinexx, „Measured proton electromagnetic structure deviates from theoretical predictions“ (19. Oktober 2022, Nature), „Eine kurze Geschichte der Zeit“ (Stephen Hawking, 1988)

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