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Elektroautos vs. E-Fuels: Harald Lesch teilt aus – „eigentlich eine Scheindebatte“

Harald Lesch ist einer der wohl bekanntesten Physiker Deutschlands. Von E-Fuels hält der 62-Jährige offenbar denkbar wenig.

Harald Lesch mit ausgebreiteten Händen
© imago images / STAR-MEDIA

Elektroautos für unter 18-Jährige // IMTEST

Noch keine 18 Jahre alt aber Lust auf Mobilität? Mit diesen kleinen Elektroautos ist das möglich.

Der weltweite Einsatz gegen den Klimawandel konzentriert sich stark auf die Reduzierung von CO2-Emissionen, besonders im Verkehrssektor, der signifikant zu den Treibhausgasemissionen beiträgt. Als Antwort darauf hat die Europäische Union einen Beschluss gefasst, ab 2035 den Neuwagenverkauf von Benzin- und Dieselautos zu untersagen, was die Dringlichkeit für Alternativen zu fossilen Brennstoffen hervorhebt. Elektroautos spielen hierbei eine Vorreiterrolle, aber auch E-Fuels treten als potenzielle Nachfolger von fossilen Brennstoffen in Erscheinung.

E-Fuels sind synthetische oder künstliche Kraftstoffe aus Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff. Sie können in bestehenden Verbrennungsmotoren ohne wesentliche Änderungen verwendet werden und sind damit eine potenzielle Alternative zu fossilen Kraftstoffen. Das Konzept gibt es schon seit Jahrzehnten, aber sein angebliches Potenzial hat erst in letzter Zeit große Aufmerksamkeit erregt.

Was sind also die Vor- und Nachteile der alternativen Kraftstoffe als Lösung zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor? Der deutsche Physiker, Wissenschaftsjournalist und Naturphilosoph Harald Lesch hat Potenziale und Hürden im Video genauer in Augenschein genommen.

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Vorteile gegenüber Elektroautos

Einer der Hauptvorteile von E-Fuels sei, dass sie keine wesentlichen Änderungen der Infrastruktur erfordern, erklärt Lesch. Im Gegensatz zu Elektroautos, die die Installation von Ladestationen erfordern, können E-Kraftstoffe an bestehenden Tankstellen verwendet werden. Die Fahrzeuge können an denselben Zapfsäulen wie bei fossilen Kraftstoffen getankt werden. Das bedeutet, dass die Umstellung auf E-Kraftstoffe weniger störend ist und leichter von bestehenden Flotten übernommen werden kann.

Ein weiterer Vorteil der Benzin-Alternativen ist die Energiesicherheit, die sie bieten. Da sie mit erneuerbaren Energien hergestellt werden können, können Länder ihre eigenen E-Treibstoffe produzieren und so die Abhängigkeit von ausländischem Öl verringern. Dies könnte zu einer größeren Energieunabhängigkeit und -sicherheit führen, insbesondere für Länder, die stark von Ölimporten abhängig sind.

Obwohl E-Kraftstoffe nicht kohlenstoffneutral sind, haben sie einen deutlich geringeren Kohlenstoff-Fußabdruck als fossile Kraftstoffe. Bei der Herstellung von E-Kraftstoffen könnte Kohlendioxid aus der Atmosphäre abgeschieden werden. Bei der Verbrennung werde dann die gleiche Menge CO2 freigesetzt. Das bedeutet, dass E-Kraftstoffe einen geschlossenen Kohlenstoffkreislauf haben könnten, was sie zu einer saubereren Alternative zu fossilen Kraftstoffen machen würde.

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Bislang unerreicht

„Es gibt eine Forschungsanlage in Patagonien, in Chile, die von großen deutschen Konzernen betrieben wird“, so Harald Lesch. „Warum? Weil dort eben tatsächlich der Strom aus großen Windkraftanlagen zur Verfügung steht, sodass man ihn für uns klimaneutral erzeugen kann.“ Bisher gebe es aber noch keine Anlage, die wie gepredigt Kohlendioxid aus der Atmosphäre abspeist.

„Deswegen wird aktuell das Kohlendioxid für diese eventuell an Forschungsanlage in Patagonien noch per LKW dorthin gebracht. Ist also noch suboptimal. Da kann noch viel verbessert werden. Langfristig soll da eine Anlage hingestellt werden, die es auch mit erneuerbaren Energien dann schafft, CO2 aus der Atmosphäre zu holen, sodass das Ganze tatsächlich komplett der Klimaneutralität entspricht.“

Harald Lesch

Zu schön, um wahr zu sein?

Einer der größten Nachteile von E-Fuels sind aktuell zudem ihre Kosten. Die Herstellung von E-Kraftstoffen ist derzeit teuer und der Produktionsprozess erfordert erhebliche Mengen an Energie. Obwohl die Kosten für erneuerbare Energien sinken, sind sie in einigen Ländern immer noch hoch. Es könnte einige Zeit dauern, bis sie wettbewerbsfähig werden.

Zum Vergleich: „Bei der Demonstrationsanlage in Patagonien kostet der Liter E-Fuels aktuell 50 Euro. Ist also nicht konkurrenzfähig.“

Zudem verlange die technische Umsetzung für eine breite Verfügbarkeit synthetischer Kraftstoffe „einen grandiosen Ausbau von erneuerbaren Energien“, so Lesch. „Es muss pausenlos, praktisch in jeder Sekunde, […] irgendwo auf dieser Welt ein Windrad hingezimmert werden.“ Ansonsten könne es nicht funktionieren. Immerhin sei die Klimaneutralität von E-Fuels davon abhängig, dass sie unter Verwendung erneuerbarer Energien produziert würden.

Auch ist der Wirkungsgrad von E-Kraftstoffen geringer als der von fossilen Kraftstoffen. Für die Herstellung von E-Kraftstoffen wird mehr Energie benötigt als für fossile Kraftstoffe. Das bedeutet, dass die Energiemenge, die aus E-Kraftstoffen gewonnen werden kann, geringer ist als die von fossilen Kraftstoffen. Die Benzin-Alternativen sind also weniger effizient sind als fossile Kraftstoffe. Fahrzeuge, die E-Kraftstoffe verwenden, bräuchten zudem mehr Kraftstoff, um die gleiche Strecke zurückzulegen.

Fans von E-Fuels in der Politik

Auch einen Tweet des Hamburger CDU-Chefs Christoph Ploß lässt Harald Lesch nicht unkommentiert. Dieser hatte Anfang März behauptet, Deutschland sei „eines der letzten Länder in der Europäischen Union, in denen das nicht möglich ist“, E-Fuels zu tanken. Überall anders seien sie bereits weit verbreitet. Auf nähere Nachfrage meinte Ploß: „Ich schicke Ihnen gerne eine Grafik.“ Ein Eigentor, wie sich schnell herausstellte.

Denn die Tankstellen, die auf der geteilten Karte zu sehen waren, ermöglichen nicht das Tanken der synthetischen Kraftstoffe. Stattdessen bieten sie Hydrogenated Vegetable Oils (HVO) an, also Kraftstoffe, die aus Pflanzenölen gewonnen werden.

Lesch beklagt „Scheindebatte“

Lesch weist ausdrücklich darauf hin, dass E-Fuels in anderen Bereichen von Mobilität und Industrie durchaus von Nutzen seien könnten. Die Erforschung der alternativen Treibstoffe gehe daher weiter. Basierend auf allen wissenschaftlichen Fakten seien Elektroautos aber für die breite Masse schlicht die sinnvollere Wahl. Der politische Begriff der Technologieoffenheit sei für den Physiker nichts weiter als eine „Verarschung“.

„Wenn ich einen Prozess habe, der so viel besser ist als ein anderer, dann werde ich mich doch nicht offen, mit offenen Augen, für den schlechteren entscheiden. Die Diskussion in der politischen Arena ist eigentlich eine Scheindebatte, wenn es um E-Fuels geht.“

Harald Lesch

Quelle: YouTube/Terra X Lesch & Co; eigene Recherche

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