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Albert Einstein vs. Quantenmechanik: In einem Punkt lag der Physiker falsch

Albert Einstein gilt als ein das Jahrtausend prägendes Universalgenie. Doch konnte selbst er nicht in jedem Punkt richtigliegen.

Albert Einstein
© imago images / Gemini Collection

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Albert Einstein stellte mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie unser Verständnis von Physik auf den Kopf. Demnach krümmen schwere Objekte im Universum die Raumzeit.

Ein revolutionäres Experiment, das von Andreas Wallraff und seinem Team an der ETH Zürich durchgeführt wurde, hat Albert Einsteins Konzept der „lokalen Kausalität“ weiter diskreditiert. Auf der anderen Seite stärkt es die Quantenmechanik. Dieser bedeutende Erfolg wurde durch einen lückenlosen Bell-Test mit supraleitenden Schaltkreisen ermöglicht.

Albert Einstein wider die Quantenmechanik

Der Bell-Test wurde erstmals in den 1960er Jahren von John Bell als Gedankenexperiment vorgestellt. Er sollte die langjährige Debatte darüber lösen, ob die Vorhersagen der Quantenmechanik, die der allgemeinen Intuition widersprechen, zutreffend sind oder ob Einsteins konventionelle Konzepte der Kausalität auf atomarer Ebene noch gelten.

Beim Bell-Test wird eine Zufallsmessung an zwei verschränkten Teilchen gleichzeitig durchgeführt und mit der Bellschen Ungleichung verglichen. Sollte sich Albert Einsteins Konzept der lokalen Kausalität als richtig erweisen, würden diese Experimente die Bellsche Ungleichung immer erfüllen. Umgekehrt sagte die Quantenmechanik einen Verstoß gegen diese Ungleichung voraus.

Lokale Kausalität, wie Einstein es sah, bedeutet, dass etwas nur durch Dinge beeinflusst werden kann, die sich in seiner unmittelbaren Nähe befinden. Will heißen: In einem statischen System verändert sich in der Regel am ehesten genau dort etwas, wo man einwirkt.

Die Quantenmechanik geht hingegen davon aus, dass sich Teilchen auch dann direkt gegenseitig beeinflussen können, wenn sie weit voneinander entfernt sind.

Praktischer Bell-Test schon 1972

Der praktische Bell-Test wurde von John Francis Clauser und Stuart Freedman in den frühen 1970er Jahren durchgeführt. Ihre Ergebnisse zeigten, dass die Bellsche Ungleichung tatsächlich verletzt werden kann, was die Sichtweise der Quantenmechanik stützt. Bestimmte Annahmen in ihren Experimenten ließen jedoch Zweifel bei den Skeptikern der Quantenmechanik aufkommen.

Im Laufe der Jahre hat die Forschung immer mehr dieser Schlupflöcher geschlossen, bis 2015 die ersten wirklich schlupflochfreien Bell-Tests vorlagen. Diese Experimente haben den Streit zugunsten der Quantenmechanik weitgehend beigelegt.

„Für praktische Anwendungen besonders interessant“

Um diese Ergebnisse weiter zu bestätigen, führte Wallraffs Team ein innovatives Experiment mit supraleitenden Schaltkreisen durch, die als potenzielle Bausteine für künftige leistungsstarke Quantencomputer gelten.

Ihr Experiment ging über frühere Tests hinaus, indem es bestätigte, dass diese makroskopischen Quantenobjekte, supraleitende Schaltkreise, auch nach der Quantenmechanik funktionieren. Diese Erkenntnis hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Quantencomputing und die Kryptografie.

„Modifizierte Bell-Tests können zum Beispiel in der Kryptographie eingesetzt werden, um zu zeigen, dass Informationen tatsächlich verschlüsselt übertragen werden“, zitiert die ETH Zürich den Doktoranden Simon Storz. „Mit unserem Ansatz können wir viel effizienter als in anderen Versuchsaufbauten nachweisen, dass die Bellsche Ungleichung verletzt ist. Das macht ihn für praktische Anwendungen besonders interessant.“

Versuchsaufbau auf 30 Metern Länge

Um einen wirklich lückenlosen Bell-Test durchzuführen und so die Ansichten Albert Einsteins zu widerlegen, entwickelte das Team eine ausgeklügelte Testanlage. Sie stellten sicher, dass keine Informationen zwischen den beiden verschränkten Schaltkreisen ausgetauscht werden konnten, bevor die Quantenmessungen abgeschlossen waren.

Die Anlage bestand aus zwei Kryostaten, die sich an den gegenüberliegenden Enden einer 30 Meter langen Röhre befanden und alle auf nahezu den absoluten Nullpunkt gekühlt waren. In diesen Kryostaten befanden sich die supraleitenden Schaltkreise.

„Vor Beginn jeder Messung wird ein Mikrowellenphoton von einem der beiden supraleitenden Schaltkreise zum anderen übertragen, so dass die beiden Schaltkreise verschränkt werden. Zufallsgeneratoren entscheiden dann, welche Messungen an den beiden Schaltkreisen im Rahmen des Bell-Tests durchgeführt werden. Anschließend werden die Messergebnisse auf beiden Seiten miteinander verglichen.“

ETH Zürich

Die Ergebnisse des Teams erschienen am 10. Mai 2023 in Form einer Studie im Fachjournal Nature.

Albert Einstein widerlegt

Nach der Durchführung und Auswertung von über einer Million Messungen bestätigten die Ergebnisse des Teams eine Verletzung der Bellschen Ungleichung. Diese Ergebnisse sind ein überzeugender Beweis dafür, dass die Quantenmechanik nichtlokale Korrelationen in makroskopischen elektrischen Schaltkreisen ermöglichen kann und dass supraleitende Schaltkreise über eine große Entfernung verschränkt werden können.

Diese Entdeckung hat potenzielle Auswirkungen auf das verteilte Quantencomputing und die Quantenkryptografie und ebnet den Weg für eine Zukunft, in der die Eigenheiten der Quantenwelt in den Mittelpunkt unserer Technologie rücken. Für das Universalgenie Albert Einstein bedeutet das: Zumindest im Punkt der lokalen Kausalität lag er falsch.

Quellen: „Experimental Test of Local Hidden-Variable Theories“ (Physical Review Letters, 1972); ETH Zürich; „Loophole-free Bell inequality violation with superconducting circuits“ (Nature, 2023)

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