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Archäologie: Forscher finden Mumie in Deutschland – und lüften ein pikantes Geheimnis

Dieser archäologische Fund stieß eine Reihe geschichtlicher Untersuchungen an. Der kindliche Leichnam hatte womöglich eine große Bedeutung.

Mumie in einem Sarg
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Die 5 wichtigsten archäologischen Funde aller Zeiten

Jahrtausende menschlicher Kultur bringen auch nach langer Zeit immer wieder erstaunliche Erkenntnisse hervor.Wir zeigen dir die fünf wichtigsten archäologischen Funde aller Zeiten.

Mumienbestattungen waren in Deutschland eher unüblich, weswegen der archäologische Fund alleine bereits eine Besonderheit an sich war. Doch der erhaltene Leichnam des Kleinkindes warf noch weitere Fragen auf. Historische Untersuchungen sollten ein pikantes Geheimnis lüften.

Archäologischer Fund: Einzige Mumie in der Gruft

Der archäologische Fund ereignete sich in der Gruft der Familie Jordan. Sie befindet sich in Dötting, das ist circa 20 Kilometer von Ingolstadt entfernt. Die Entdeckung machte der bekannte Pathologe Andreas Nerlich. Man teilte ihm mit, dass die Gruft renoviert werden sollte und man dort einige gut erhaltene Leichen fand, die für seine Forschungen von Interesse sein könnten. Damit lag man goldrichtig.

Insgesamt barg Nerlich fünf Leichen in der Familiengruft. Vater, Mutter und Sohn sowie ein gemeinsamer Freund der Familie waren auf herkömmliche Weise in Särgen der Gruft bestattet worden. Doch die Tochter der Jordans, Carolina, wies eine Besonderheit auf: Sie war mumifiziert worden – und das mit äußerster Sorgfalt. Der Leichnam sowie die entnommenen Organe waren auch nach 200 Jahren überaus gut erhalten.

„Sämtliche, während der Balsamierung entnommenen inneren Organe wurden in einer Fixierlösung zusätzlich zu dem Körper aufbewahrt – und das in einer Perfektion, dass sie feingeweblich aussahen, als wären sie erst vor ein paar Tagen entnommen worden.“, zitiert National Geographic Nerlich, der diesen archäologischen Fund bereits 2011 machte.

Das Leben von Carolina von Jordan

Allerdings ergab sich schnell die Frage, wieso man die zweijährige Carolina von Jordan als einziges einbalsamierte. Für Nerlich begannen hier lange Untersuchungen in der Familiengeschichte der Jordans. Welches Geheimnis er dabei aufdecken würde, hatte er zu diesem Zeitpunkt sicherlich keinesfalls geahnt.

Zunächst untersuchte er den archäologischen Fund an sich und glich ihn mit den historischen Daten ab. Carolina wurde am 20. März 1815 in Neapel geboren. Etwas mehr als ein Jahr später, am 24. Juli 1816 verstarb sie an einer Lungenentzündung, wie eine Analyse ihres Haarstrangs ergab. Zuvor muss sie an einer ernsten Erkrankung gelitten haben. Nerlich vermutet, dass es sich hierbei um die damals im Mittelmeerraum weit verbreitete Endoparasiten-Infektion handeln musste.

Doch durch seine Untersuchungen wurde er auf die erste Ungereimtheit aufmerksam. Caroline wurde erst drei Monate nach ihrer Geburt getauft. Das war damals äußerst unüblich. Zu dieser Zeit war gerade die Säuglingssterblichkeit sehr hoch und man ging davon aus, dass nicht getaufte Kinder direkt in die Hölle kämen. Entsprechend fand eine Taufe oft so schnell wie möglich nach der Geburt statt.

In Nerlich wuchs eine Vermutung heran: Was ist, wenn die Geburtsdaten von Carolina im Taufbuch gar nicht mit der Realität übereinstimmten? Weitere wissenschaftliche Untersuchungen an dem archäologischen Fund sollten ihn bestätigen. Das Kind muss circa drei Monate älter gewesen sein.

Zwischen Bestechung und Flucht

Für Nerlich waren die Untersuchungen bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Schließlich müsste es einen Grund gegeben haben, warum man Carolina von Jordans Geburtsdaten gefälscht hatte. So schaute er sich das Leben der Eltern genauer an und deckte womöglich eine waschechte Intrige auf.

Wilhelm von Jordan war ehrgeizig und erfolgreich. Binnen weniger Jahre arbeitete er sich beim bayrischen Militär in den Rängen nach oben. Seine Frau und die Mutter von Carolina, Violante, war war Hofdame der bayerischen Königin Caroline. Als die Eltern Carolina zeugten, waren sie noch nicht verheiratet. Das war zwar nicht gerne gesehen, aber auch nicht unüblich. Doch bald darauf heirateten sie – und zwar auf Drängen des Königs. Doch was hatte dieser mit dem jungen Paar zu tun?

Am Hof gab es Gerüchte. In einem hieß es, dass der Generalmajor vom regierenden König Max I. Joseph Violante geschwängert haben soll. Doch stellt zwar eine Verbindung her, erklärt jedoch nicht, wieso um den Zeitpunkt der Zeugung von Carolina die junge Familie beträchtliche Zuwendungen vom Oberhaupt erhielt. Zudem sprach er Wilhelm, der von nun an als Vater der ungeborenen Carolina galt, das Patrimonialgericht II. Klasse in Wackerstein zu. Hierbei handelt es sich um die äußerst lohnenswerte Erlaubnis Recht zu sprechen.

Überstürtzte Abreise nach Neapel

Die mysteriösen, finanziellen Zuwendungen und die überstürzte Heirat waren nur eine Vorbereitung auf das, was nun folgte. Wilhelm verließ seinen Militärposten in Bayern und auch Violante gab ihre Stellung am Hof auf. Die Eheleute machten sich gemeinsam mit der ungeborenen Carolina auf die beschwerliche Reise nach Süditalien und zogen sich dort in ein unscheinbares Örtchen außerhalb von Neapel zurück.

Hier lebten sie bis zum Tod des kleinen Mädchens. Ein Mädchen, das wir heute durch die Untersuchungen des archäologischen Funds, womöglich als Prinzesin bezeichnen müssen. Denn all jene Umstände legen nahe, das Wilmhelm keinesfalls der Vater war und auch das Gerücht um den Generalmajor als Finte galt. Stattdessen lassen die Zuwendungen, aber auch die darauffolgende Flucht vom Hof, die Theorie aufkommen, dass der König selbst oder einer seiner Söhne der Vater der Kleinen sein könnte.

Das würde auch erklären, warum man Carolina mumifiziert in der Gruft fand. Direkt nach ihrem Tod müsste man die Bearbeitung des Leichnams vorgenommen haben, sodass die Eheleute schnell wieder an den Hof zurückkehren konnten. Der archäologische Fund könnte zu diesem Zeitpunkt als Beweis sowie als Druckmittel gedient haben. Immerhin stellten Wilhelm und Violante so sicher, dass sie auch nach dem Ableben der mysteriösen Tochter noch Zuwendungen und respektable Stellungen erhielten.

Quelle: National Geographic

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