Veröffentlicht inScience

Im Teilchenbeschleuniger: Forscher fangen mysteriösen „4D-Geist“

Der Teilchenbeschleuniger des CERN hat schon zu mancher bahnbrechender Entdeckung geführt. Nun ist den Forschenden ein besonderer Coup gelungen.

Illustration eines Teilchenbeschleunigers
© PaulShlykov - stock.adobe.com

Was sind Gravitationswellen?

Albert Einstein stellte mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie unser Verständnis von Physik auf den Kopf. Demnach krümmen schwere Objekte im Universum die Raumzeit.

Im Super Proton Synchrotron (SPS) des Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (CERN) haben Wissenschaftler*innen eine störende vierdimensionale Resonanzstruktur gemessen. Diese Struktur im Phasenraum beeinflusst Teilchenbahnen und stellt eine Herausforderung in der Teilchenforschung dar. Giuliano Franchetti und sein Team vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt quantifizierten das Phänomen und offenbarten neben der Komplexität dieses „4D-Geistes“ auch seine Auswirkungen auf Teilchenbeschleuniger.

Resonanz im Teilchenbeschleuniger

Die Forschenden verfolgten 3.000 Strahlen mit Strahllage-Monitoren, um die Resonanz zu kartieren und das Verständnis des Teilchenverhaltens zu verbessern. „Bei diesen Resonanzen ist es so, dass die Teilchen nicht genau den Weg nehmen, den wir wollen, und dann wegfliegen und verloren gehen“, erklärte Frachetti in einer Pressemitteilung des CERN. „Das führt zu einer Verschlechterung des Strahls und macht es schwierig, die erforderlichen Strahlparameter zu erreichen.“

Stell dir Resonanz wie das Schwingen einer Schaukel vor: Wenn du im perfekten Moment anstößt, schwingt die Schaukel höher. In der Welt der Teilchenbeschleuniger passiert etwas Ähnliches mit winzigen Partikeln. Wenn bestimmte Bedingungen – wie die von Magneten erzeugten Kräfte – genau mit der „Schwingung“ der Partikel übereinstimmen, verstärken sie deren Bewegung. Diese Synchronisation kann jedoch zu Problemen führen, weil sie die Partikel von ihrem geplanten Weg abbringen kann. In diesem Kontext sprechen Forscher*innen von Resonanz, wenn die Schwingungen innerhalb des Beschleunigers genau so abgestimmt sind, dass sie die Partikel ungewollt verstärken oder in eine unerwünschte Richtung lenken.

Resonanz führt in Beschleunigern durch magnetfeldbedingte Imperfektionen zu Fehlausrichtungen und Strahldegradation. Bisher nutzte man zur Modellierung der Teilchenbewegung zwei Freiheitsgrade, die neue Resonanz verlangt jedoch vier. Franchettis Team leistet bedeutende Fortschritte in der Beschleunigerphysik und fordert ein Umdenken durch mehrdimensionale Partikeldynamik-Modelle.

Praxis belegt Theorie

Durch detaillierte Messungen und Computersimulationen erlangte das Team neue Einblicke in die Resonanzeffekte und deren Auswirkungen auf Teilchen. Die Forschung bietet Ansätze, Strahldegradation zu mindern und die Leistung von Beschleunigern zu steigern. Durch das Verständnis des 4D-Geistes entwickeln sie Theorien zur Gegenwirkung, die präzisere Experimente ermöglichen.

„Das Besondere an unseren jüngsten Ergebnissen ist, dass sie zeigen, wie sich einzelne Teilchen in einer gekoppelten Resonanz verhalten“, erläutert der CERN-Physiker Hannes Bartosik. Neben Franchetti war auch er an der jüngsten Veröffentlichung der Ergebnisse in Nature Physics beteiligt. „Wir können zeigen, dass die experimentellen Ergebnisse mit dem übereinstimmen, was aufgrund von Theorie und Simulation vorhergesagt wurde.“

Die Arbeit unterstreicht die Komplexität der Partikelbewegung und die Notwendigkeit, alle Freiheitsgrade zu berücksichtigen. Dieses Projekt zeigt die Bedeutung gemeinschaftlicher Forschung und fortschrittlicher Technologie zur Entschlüsselung der Quantenwelt. Forschende des CERNS machen mit der Kartierung der 4D-Resonanzstruktur einen entscheidenden Schritt zur Lösung von Problemen in Teilchenbeschleunigern.

Quellen: „Observation of fixed lines induced by a nonlinear resonance in the CERN Super Proton Synchrotron“ (Nature Physics, 2024); CERN

Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Hier kannst du den Betroffenen helfen.

Du willst mehr von uns lesen? Folge uns auf Google News.