Auf der Oberfläche der Erde gibt es kaum noch einen Winkel, der nicht vermessen und kartiert wurde. Spätestens mithilfe von Satelliten und digitalen Anwendungen wie Google Maps kann sich kaum ein Ort auf diesem Planeten vor neugierigen Blicken schützen. Im Weltall sieht das etwas anders aus, die ewigen Weiten erschweren den Prozess. Doch nun ist es Forschenden gelungen. die bisher detaillierteste Karte unserer Milchstraße zu entwickeln.
Forschung über Milchstraße revolutioniert
Nach 13 Jahren intensiver Beobachtungen haben Astronom*innen der Europäischen Südsternwarte (ESO) die Infrarotkarte unserer Milchstraße veröffentlicht. Die beeindruckende Karte zeigt mehr als 1,5 Milliarden Objekte und eröffnet neue Einblicke in die Strukturen und Geheimnisse unserer Galaxie. Dieser Meilenstein in der Astronomie basiert auf Daten, die mit dem VISTA-Teleskop in der chilenischen Atacama-Wüste gesammelt wurden.
Das Herzstück der Entdeckung ist die Infrarotkamera VIRCAM des VISTA-Teleskops, die es den Forschenden ermöglichte, durch den dichten Staub und das Gas der Galaxie zu blicken. So wurden Objekte sichtbar, die in anderen Wellenlängenbereichen verborgen geblieben wären.
Besonders spektakulär ist, dass die Infrarotkarte Sterne zeigt, die gerade erst entstehen, sowie „gescheiterte“ Braune Zwerge und frei schwebende Planeten, die keinem Sternensystem angehören. Diese neue Perspektive auf die Galaxie habe die Forschung revolutioniert, erklärt Dante Minniti, Astrophysiker und Projektleiter: „Wir haben so viele Entdeckungen gemacht, dass wir die Sicht auf unsere Galaxie für immer verändert haben.“
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Mehr Möglichkeiten durch detaillierte Karte
Die gesammelten Daten stammen aus insgesamt 420 Beobachtungsnächten und erstrecken sich über eine Himmelsfläche, die 8600 Mal die Breite des Vollmondes hat. Die Milchstraßen-Karte ist damit zehnmal umfangreicher als eine frühere Version, die das Team 2012 veröffentlichte. Dank wiederholter Beobachtungen konnten die Forscher*innen nicht nur die Position der Objekte bestimmen, sondern auch ihre Bewegungen und Helligkeitsveränderungen im Laufe der Zeit verfolgen. Eine der größten Herausforderungen war dabei, Sterne zu identifizieren, die sich mit extrem hoher Geschwindigkeit bewegen – sogenannte Hypergeschwindigkeitssterne.
Besonders faszinierend ist, dass die Infrarotkarte nicht nur neue Sterne und Planeten enthüllt. Auch die inneren Regionen der Milchstraße erscheinen in einem bisher unerreichten Detailgrad. Diese Bereiche waren bislang größtenteils von interstellarem Staub verdeckt. Doch durch die Daten der neuen Karte haben Astronom*innen nun die Möglichkeit, die dreidimensionale Struktur der Galaxie präziser zu vermessen. Sogar die Wechselwirkungen von Objekten mit dem supermassiven Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße können nun besser untersucht werden.
Obwohl die Beobachtungen abgeschlossen sind, sind die Wissenschaftler*innen überzeugt, dass die Auswertung der Daten noch Jahre dauern wird. Bereits jetzt wurden über 300 wissenschaftliche Artikel basierend auf diesen Informationen veröffentlicht. Gleichzeitig bereitet sich das VISTA-Teleskop auf kommende Entdeckungen in der Milchstraße vor. Denn durch Upgrades mit neuen Instrumenten soll es bald möglich sein, die chemische Zusammensetzung der entdeckten Objekte genauer zu analysieren.
Quellen: „The VISTA Variables in the Vía Láctea extended (VVVX) ESO public survey: Completion of the observations and legacy“ (Astronomy & Astrophysics, 2024); ESO
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