Das Großvaterparadoxon ist ein Gedankenexperiment in der Zeitreise-Forschung. Es beschreibt ein Problem, das entsteht, wenn jemand in der Zeit zurückreist und eine Handlung begeht, die die eigene Existenz unmöglich macht – zum Beispiel, den eigenen Großvater tötet, bevor er Kinder bekommen kann. In diesem Fall würde der Zeitreisende nie geboren werden, was wiederum bedeutet, dass er nie in der Zeit zurückreisen könnte, um den Großvater zu töten. Der Physiker Lorenzo Gavassino glaubt, die Quantenmechanik und die Thermodynamik könnten dieses Problem lösen.
Zeitreisen wider der Entropie
Die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt Zeit als flexible Dimension, die sich unter extremen Bedingungen, etwa in der Nähe von Schwarzen Löchern, biegen und sogar zu Schleifen formen kann. Solche sogenannten geschlossenen zeitartigen Kurven (Closed Timelike Curves, CTCs) könnten es ermöglichen, in die eigene Vergangenheit zurückzukehren. Dabei stellt sich aber die Frage, was das für die Kausalität bedeutet – also dafür, wie Ursachen und Wirkungen in der Zeit zusammenhängen.
Entropie spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie bestimmt, warum Zeit immer vorwärts läuft. Systeme bewegen sich von Ordnung hin zu Unordnung – das ist der sogenannte Zeitpfeil. Forschende nutzen dieses Prinzip, um Vergangenheit und Zukunft voneinander zu unterscheiden. Aber was passiert, wenn man mit Zeitreisen in diese Ordnung eingreift? Genau diese Frage bringt das Konzept der Entropie ins Wanken.
Im Rahmen seiner jüngsten Studie hat Gavassino untersucht, was passiert, wenn ein System mit hoher Entropie in eine Zeit mit niedriger Entropie reist. Seine Berechnungen zeigen, dass die Quantenmechanik solche Sprünge stabilisieren könnte. In einer CTC würde die Entropie nicht wie erwartet ansteigen, sondern auf einem stabilen Niveau bleiben. Es könnte sogar eine parallele Zeitlinie entstehen, in der die Entropie immer gleich bleibt.
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Grenzen der Wissenschaft
Das könnte dazu führen, dass Prozesse wie Altern oder das Bilden von Erinnerungen rückgängig gemacht werden können. In einer Zeitreise-Schleife wären Ereignisse möglicherweise umkehrbar oder könnten ganz verschwinden. Gavassinos Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf unser Verständnis von Ursache und Wirkung und zeigen, wie die Quantenmechanik unser Bild von Zeitreisen komplett verändern könnte. Denn der Physiker folgert: „Die Nichtexistenz von Zeitreiseparadoxien ist eine strenge Konsequenz unserer Analyse.“
Seine Forschung zeigt aber auch, wie wenig wir wirklich über Zeit und Raum wissen. Die Quantenmechanik und die allgemeine Relativitätstheorie, zwei wichtige Säulen der modernen Physik, passen immer noch nicht richtig zusammen. Experimente und Überlegungen zu Zeitreisen bringen Forschende an die Grenzen dieser Theorien – und geben uns gleichzeitig spannende neue Ansätze, um die grundlegenden Gesetze des Universums zu verstehen.
Quelle: „Life on a closed timelike curve“ (Classical and Quantum Gravity, 2024)
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