Forschende haben 16 schrägkantige Knochenwerkzeuge von der frühmesolithischen Fundstelle Pulli in Estland untersucht. Die archäologischen Funde bestehen aus Elchknochen und besitzen eine charakteristisch abgeschrägte Spitze. Mithilfe der sogenannten Traceologie, also der Analyse von Gebrauchsspuren, rekonstruierten die Forschenden, wie diese Geräte hergestellt, genutzt und schließlich abgelegt wurden. Um die Spuren besser einordnen zu können, führten sie auch Experimente mit nachgebauten Werkzeugen durch. Ziel war es, herauszufinden, ob die Knochengeräte zum Bearbeiten von Holz, für die Verarbeitung von Tierhäuten oder für andere Zwecke eingesetzt wurden.
Archäologischer Fund in Pulli
Die Fundstelle Pulli liegt am Ufer des Flusses Pärnu im Südwesten Estlands und ist über 10.500 Jahre alt. Bei Ausgrabungen kamen unter anderem Feuersteinwerkzeuge, Tierknochen, Angelhaken und angespitzte Holzpfähle zum Vorschein. Die archäologischen Funde deuten darauf hin, dass die Siedlung wahrscheinlich im Frühling und Sommer bewohnt war. Die große Mehrheit der Knochen stammt von Elchen und Bibern, was auf Jagd und Fischerei als zentrale Lebensgrundlagen hinweist. Viele der Gegenstände wurden offenbar mehrfach verwendet und sorgfältig gefertigt – ein Hinweis auf durchdachte Handwerkspraktiken und einen bewussten Umgang mit Ressourcen.
Die untersuchten Artefakte teilen eine auffallend ähnliche Form und wurden nach einem standardisierten Verfahren hergestellt. Zunächst entfernte man die Knochenenden, spalteten den Schaft und formten die Seiten durch Schaben oder Brechen. Die Arbeitskante wurde abschließend durch gezieltes Abschaben geglättet. In vielen Fällen wurden die Geräte in Holzgriffe eingefasst, wobei eine keilförmige Basis das Einpassen erleichterte. Diese wiederkehrenden Herstellungsschritte zeigen, dass diese Werkzeuge nicht improvisiert, sondern gezielt angefertigt wurden.
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Werkzeug für leichte Holzarbeiten
Unter dem Mikroskop zeigten sich zwei Arten von Nutzungsspuren. Einige Werkzeuge wiesen Abnutzungsspuren auf, wie sie beim Arbeiten mit frischer, feuchter Rinde entstehen. Andere trugen Spuren, wie sie beim Bearbeiten von trockener, harter Rinde zu erwarten sind. Die Werkzeuge für feuchte Materialien blieben länger scharf, während solche für trockenes Material schnell stumpf wurden. „Die Eigenschaften der Arbeitskanten von Pulli-Schneidenwerkzeugen sind definitiv typischer für die Rindenbearbeitung (oder sehr empfindliche Holzbearbeitung) als für die schwere Holzbearbeitung“, schreiben die Forschenden in ihrer Studie.
In den durchgeführten Experimenten nutzte man Knochenwerkzeuge zum Entrinden verschiedener Holzarten. Dabei entstanden Gebrauchsspuren, die in vielen Details mit den Spuren auf den Fundstücken übereinstimmen – vor allem bei der Arbeit mit frischer Kiefer. Die Werkzeuge waren je nach Einsatzbereich unterschiedlich geformt. Stark gebogene Kanten eigneten sich für dünne Äste, während flachere Kanten auch bei dickeren Zweigen funktionierten. Teilweise wurden Werkzeuge sogar nachträglich umgearbeitet, um sie besser auf das jeweilige Material abzustimmen.
Die Ergebnisse legen nahe, dass die Werkzeuge speziell für das Sammeln von Rinde und Bast genutzt wurden – beides wichtige Materialien für Schnüre, Behälter oder andere Alltagsgegenstände. Diese Tätigkeiten fanden vermutlich im Frühjahr statt, wenn Bäume besonders viel Saft führen und sich die Rinde leichter ablösen lässt. Die einheitliche Herstellung und gezielte Nutzung der Geräte deuten auf eine klare funktionale Bedeutung im saisonalen Alltag hin. Die Menschen von Pulli verfügten offenbar über tiefes Wissen im Umgang mit pflanzlichen Rohstoffen – und die passenden Werkzeuge, um dieses Wissen in die Praxis umzusetzen.
Quelle: „Bevel-ended bone artefacts from Pulli, Estonia: Early Mesolithic debarking tools?“ (Archaeological and Anthropological Sciences, 2025)
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