Neandertaler*innen sind ein zentraler Bestandteil der anthropologischen Forschung. Sie geben uns Aufschluss darüber, wie Menschen vor der Entwicklung der Zivilisation lebten. Archäologische Funde ihrer Knochen und Werkzeuge bieten dabei die beste Grundlage zur Untersuchung ihrer Lebensweise. Aber auch alte Tierknochen, die in ihren Siedlungen gefunden werden, liefern wichtige Hinweise auf ihre Gewohnheiten.
Archäologischer Fund in Neumark-Nord: So aßen Neandertaler
Im deutschen Neumark-Nord haben Wissenschaftler*innen einen archäologischen Fund gemacht, der unser Bild von Neandertalern verändert. Ein internationales Forschungsteam um den Archäologen Dr. Lutz Kindler analysierte insgesamt 172 Tierknochen aus einer Fundstelle, die bereits in den 1980er Jahren entdeckt wurde. Die Knochen stammen von Pferden, Hirschen und Rindern und werden auf etwa 125.000 Jahre zurückdatiert.
In ihrem Forschungspapier, das sie über das Fachmagazin Science Advences veröffentlicht haben, teilte das Team nun seine Erkenntnisse. Die Wissenschaftler*innen fanden heraus, dass Neandertaler*innen eine potenziell lebensrettende „Fettfabrik“ betrieben. Den Untersuchungen zufolge hatten sie eine gezielte Ernährungsstrategie, mit der sie Fett aus den Tierknochen gewannen. Das daraus gewonnene Knochenmark und -fett aßen sie.
Die Analyse zeigte, dass die Neandertaler die Knochen zunächst zertrümmerten, um an das Knochenmark zu gelangen, und sie anschließend kochten, um das Fett zu extrahieren. Diese Praxis half ihnen nicht nur gegen Hunger, sondern schützte sie vermutlich auch vor einer potenziell tödlichen Krankheit, wie die Forscher*innen annehmen.
Lesetipp: Archäologischer Fund: Uraltes Militärlager mitten in Deutschland überrascht Forscher
Neandertaler: Klüger als bisher angenommen
Bekannterweise aßen diese Urmenschen überwiegend Fleisch und nahmen damit sehr viel Proteine zu sich. Ein Übermaß an Eiweiß ohne ausreichende Fett- oder Kohlenhydratzufuhr kann jedoch zu einer Proteinvergiftung führen. Die Aufnahme des Knochenmarks rette sie davor. „Das ist erstaunlich kreativ und innovativ“, kommentierte Osbjorn Pearson, ein Archäologe an der University of New Mexico, der nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber dem Magazin Live Science.
Bislang ging man davon aus, dass eine derart komplexe und systematische Verarbeitung von Tierknochen zur Fettgewinnung erst viel später vom modernen Menschen entwickelt wurde. Frühere archäologische Funde belegten diese Technik erst ab etwa 28.000 Jahren vor heute – also lange nach dem Aussterben der Neandertaler*innen. „In der archäologischen Wissenschaft zur Untersuchung von Hominiden geht es darum, die Ähnlichkeiten zwischen uns heute und ihnen in der Vergangenheit zu finden“, fasst Kindler zusammen.
Quellen: „Large-scale processing of within-bone nutrients by Neanderthals, 125,000 years ago“ (Science Advances, 2025), Live Science
Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Hier kannst du den Betroffenen helfen.