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Signal aus dem All: Mysteriöses „Lied“ stößt Forscher auf bislang unbekannte Strukturen

Ein benachbarter Stern stimmt ein einzigartiges Lied an – Forschende haben seine bislang verborgene Melodie entschlüsselt.

Adaptiven Optiksysteme der Laserleitsterne von Keck I und Keck II blicken in das Zentrum der Milchstraße
© Sean Goebel / Canva.com [M]

Was sind Gravitationswellen?

Albert Einstein stellte mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie unser Verständnis von Physik auf den Kopf. Demnach krümmen schwere Objekte im Universum die Raumzeit.

Einem Forschungsteam ist bei der Analyse von Signalen aus dem All eine bemerkenswerte Entdeckung geglückt: Durch das „Abhören“ der Schwingungen eines nahegelegenen Sterns kamen bislang verborgene Strukturen ans Licht, die das bisherige Bild vom inneren Aufbau von Sternen infrage stellen. Realisiert wurde dies mit dem Keck Planet Finder (KPF), einem hochmodernen Instrument am W. M. Keck-Observatorium auf Hawaiʻi.

Signale aus dem All wie „einzigartiges Lied“

Sterne sind alles andere als stumm. Sie schwingen wie riesige Musikinstrumente und erzeugen so etwas wie ihre ganz eigene Melodie. Mit den passenden Instrumenten lässt sich diese in hörbare Töne umwandeln.

Jedes dieser Signale aus dem All, das den Schwingungen eines Sterns entspringt, sei „wie sein einzigartiges Lied“, betont auch Yaguang Li, Forscherin an der University of Hawaiʻi at Mānoa. „Indem wir diesen Schwingungen zuhören, können wir genau bestimmen, wie massiv ein Stern ist, wie groß er ist und wie alt er ist.“

HD 219134, ein kühler, orangefarbener K-Typ-Zwergstern in 21 Lichtjahren Entfernung, hat nun erstmals am Boden seinen Klang preisgegeben. Seine Vibrationen waren bisher zu schwach, um mit Weltraumteleskopen erkannt zu werden.

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Asteroseismologie macht das Alter hörbar

Das Forschungsteam um Li sammelte über vier Nächte hinweg mehr als 2.000 hochpräzise Messungen der Bewegung der Sternoberfläche. Diese Signale aus dem All, auch Oszillationen genannt, ermöglichten es, Alter, Größe und inneren Aufbau des Sterns zu bestimmen. Die Überraschung: HD 219134 ist etwa 10,2 Milliarden Jahre alt und gehört damit zu den ältesten bekannten Sternen, deren Alter so genau mit dieser Methode bestimmt wurde.

Zum Vergleich: Unter den wenigen Sternen, deren Alter ebenfalls präzise per Asteroseismologie – die Wissenschaft von den Sternschwingungen – bestimmt wurde, stechen nur Kepler-444 mit etwa 11,0 Milliarden Jahren und Kepler-10 mit rund 10,6 Milliarden Jahren hervor. HD 219134 reiht sich damit in eine winzige Elite von nur drei bekannten Objekten ein, die überhaupt ein zweistelliges Gigajahresalter mit dieser Genauigkeit erreichen – und liegt dabei nur knapp hinter dem aktuellen Rekordhalter Kepler-444.

„Der schnelle Auslesemodus des KPF eignet sich perfekt für die Entdeckung von Oszillationen in kühlen Sternen“, so Li weiter, „und es ist der einzige Spektrograph auf dem Mauna Kea, der derzeit in der Lage ist, diese Art von Entdeckung zu machen.“

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Neue Erkenntnisse über Planeten und Sternentwicklung

Besonders spannend war der Vergleich der neuen Messungen mit früheren Daten, den das Team als Teil seiner Studie im Astrophysical Journal veröffentlichte. Die Asteroseismologie ergab einen Radius, der etwa vier Prozent kleiner ist als jener, den Messungen mit Interferometrie – also mit mehreren zusammengeschalteten Teleskopen – zuvor ergeben hatten. Diese Abweichung liegt deutlich außerhalb des erwarteten Bereichs und gibt den Forscher*innen Rätsel auf. Weder bislang unerkannte Atmosphäreneffekte noch Magnetfelder oder andere bekannte Einflüsse erklären den Unterschied bislang zufriedenstellend.

Die neu ausgewerteten Signale aus dem All haben auch Auswirkungen auf das Wissen über die Planeten, die HD 219134 umkreisen. Der Stern beherbergt mindestens fünf Planeten, darunter zwei sogenannte Super-Erden – also Gesteinsplaneten, die etwas größer sind als die Erde. Dank der genaueren Messungen ist nun klarer, dass diese Welten wohl eine erdähnliche, feste Oberfläche haben.

HD 219134 liefert zudem einen wichtigen Bezugspunkt für die sogenannte Gyrochronologie – eine Methode, mit der Forscher*innen das Alter von Sternen aus ihrer Rotationsgeschwindigkeit ableiten können. Der Stern rotiert langsam und zeigt, wie Sterne im Laufe von Milliarden Jahren immer träger werden. Damit trägt er dazu bei, diese Altersschätzungen insbesondere für kühle Sterne deutlich zu verbessern.

Quellen: W. M. Keck Observatory; „K Dwarf Radius Inflation and a 10 Gyr Spin-down Clock Unveiled through Asteroseismology of HD 219134 from the Keck Planet Finder“ (The Astrophysical Journal, 2025)

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