Neue Ionen-Kollisionen am weltgrößten Teilchenbeschleuniger, dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN, sollen dabei helfen, ein besseres Verständnis vom Quark-Gluon-Plasma zu bekommen – einem Zustand der Materie, der kurz nach dem Urknall existierte.
Teilchenbeschleuniger: Erste Kollisionen mit leichten Sauerstoff-Ionen
Der CERN-Teilchenbeschleuniger ist für seine Proton-Proton-Kollisionen bekannt, mit denen etwa das Higgs-Boson entdeckt wurde. Doch auch mit schwereren Teilchen kann der LHC arbeiten. Bei Zusammenstößen von Ionen wie Blei entstehen Temperaturen und Energiedichten, wie sie nur Sekundenbruchteile nach dem Urknall geherrscht haben dürften. Dabei bildet sich ein sogenanntes Quark-Gluon-Plasma, in dem sich Quarks und Gluonen relativ frei bewegen.
Erstmals prallen nun dem CERN zufolge am LHC auch leichtere Sauerstoff-Ionen aufeinander. Weitere Kollisionen mit Neon-Ionen und Protonen sind geplant. Physiker*innen erhoffen sich dadurch Erkenntnisse darüber, ab welcher Systemgröße bestimmte Phänomene wie „Jet Quenching“ auftreten, bei dem Teilchen Energie verlieren, wenn sie durch das Plasma reisen.
Zu erwarten sind dabei durchaus auch Überraschungen: „Im Moment gibt es nur Theorien darüber, wie diese Systeme bei diesen Energien reagieren sollten“, erklärt Ivan Amos Cali, Mitglied der Compact Muon Solenoid (CMS)-Schwerionengruppe, die hauptsächlich die Kollisionen untersuchen wird. „Dies ist das erste Mal, dass wir tatsächlich sehen werden, was passiert – niemand hat jemals diese Art von Messung durchgeführt!“
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Forschung soll offene Fragen klären
Die neue Datenreihe soll eine Lücke schließen: Zwischen den gut erforschten Bedingungen bei Proton-Kollisionen und denen bei Blei-Kollisionen am Teilchenbeschleuniger gibt es bisher kaum experimentelle Erkenntnisse. Das ändert sich jetzt. „Wir hoffen, dass uns die leichteren Systeme helfen, die Punkte zu verbinden“, sagt Riccardo Longo vom ATLAS-Experiment laut CERN.
Besonders interessant ist dabei auch der kollektive Fluss der Teilchen nach der Kollision. Dieser könnte Hinweise auf die Geometrie der Sauerstoff- und Neonkerne liefern. Neon beispielsweise wird als bowlingkegelförmig beschrieben – eine Eigenschaft, die sich direkt auf die Plasmabildung auswirken könnte. Dank der zeitlich aufeinanderfolgenden Durchläufe von Sauerstoff und Neon lassen sich die Daten optimal vergleichen.
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Eine Herausforderung ist die Strahlreinheit
Die neuen Experimente am CERN-Teilchenbeschleuniger laufen seit dem 1. Juli 2025 und werden noch bis zum 9. Juli 2025 ausgeführt. Dabei treten jedoch neue technische Herausforderungen auf: Durch die Kollisionen entstehen sekundäre Teilchen, die dem Sauerstoff ähnlich sind und den Strahl verunreinigen können. Dieses Phänomen, als „Transmutationseffekt“ bekannt, könnte es notwendig machen, den Strahl zu erneuern. Wie stark dieser Effekt wirklich ist, wird sich erst in der Datenanalyse zeigen.
Quellen: CERN, ATLAS
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