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Gezahlt mit deinen Steuern: Absurder CDU-Plan könnte richtig teuer werden

Die Bundesregierung sucht nach Wegen, die angeschlagene Industrie zu entlasten. Ein neues Subventionsvorhaben sorgt dabei für Diskussionen.

Katherina Reiche (CDU)
© IMAGO / dts Nachrichtenagentur / Canva.com [M]

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Die Wirtschaft läuft nicht rund, die Industrie klagt über hohe Kosten, und die neue CDU-geführte Bundesregierung sucht nach Lösungen. Eine davon kommt jetzt von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche – und sie hat es in sich: Der Staat soll über drei Jahre hinweg jährlich rund 4 Milliarden Euro aufbringen, um den Strom von über 2.200 energieintensiven Unternehmen mitzufinanzieren. Die Idee klingt nach einem Rettungsschirm für die deutsche Industrie – doch bei genauerem Hinsehen wirkt der Plan teuer, unausgewogen und überraschend widersprüchlich.

Katherina Reiche plant Milliardenhilfen – aber für wen?

Katherina Reiche plant, die Zahl der unterstützten Unternehmen in energieintensiven Branchen wie Chemie, Glas und Kunststoff von 350 auf mehr als 2.200 zu erhöhen. Das geht aus einem aktuellen Bericht der Financial Times hervor. Das Bundeswirtschaftsministerium verteidigt den Vorstoß mit dem Argument, diese Branchen hätten eine weitreichende Bedeutung für andere Sektoren entlang der industriellen Wertschöpfungsketten.

Analysen zeigen: In Wahrheit haben nur wenige Branchen echte Wettbewerbsnachteile durch hohe Strompreise. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält eine breit gestreute Subvention deshalb für „gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll“. Das geht aus einer schon 2023 veröffentlichten Studie der Abteilung Unternehmen und Märkte am DIW hervor.

Von Stromkostenschocks betroffen seien „nur Teile der Industriegasherstellung und der Produktion von Aluminium, Zement und anorganischen Chemikalien“, betonte das Institut bereits im September 2023. Auch eine größere Abwanderungswelle durch hohe Stromkosten sei laut dem Studienleiter Robin Sogalla „unwahrscheinlich“. Nur wenige, besonders stromintensive Industrieunternehmen könnten neue Investitionen ins Ausland verlagern, um Kosten zu verringern.

Im selben Jahr warnte zudem das Institut der deutschen Wirtschaft (IW): Staatlich gedeckelte Strompreise können dazu führen, dass Unternehmen notwendige Investitionen in Effizienz und Klimaschutz aufschieben. „Preisanreize müssen erhalten bleiben, damit es sich weiterhin lohnt, Windräder und Solaranlagen zu bauen“, mahnten die Expert*innen in Antwort auf den Vorschlag des damaligen Vizekanzlers und Wirtschaftsministers Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) für eine Industriestrombremse.

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Klimaschutz noch nicht festgeschrieben

Die geplante Maßnahme stützt sich auf das neue EU-Regelwerk Clean Industrial Solution Aid Framework (CISAF), das Beihilfen bis zu 50 Prozent erlaubt – allerdings nur bei klarem Bezug zur CO2-Reduktion.

Genau daran fehlt es bislang. „Die Umsetzung des Konzepts stellt das EU-Beihilferecht vor erhebliche Herausforderungen“, heißt es in einem bereits im Mai durch Politico veröffentlichten internen Papier des Bundeswirtschaftsministeriums. „Die Vorbehalte sind beträchtlich und die Aussichten auf eine Genehmigung sind höchst ungewiss.“ Noch ist nicht ersichtlich, wie Katherina Reiche die EU-Vorgaben erfüllen will – verbindliche Grünstromverpflichtungen oder Effizienzauflagen liegen bislang nicht vor.

Brisant dabei: Reiche selbst hatte sich zuvor in Brüssel für eine Lockerung der Beihilferegeln starkgemacht – offenbar mit dem Ziel, genau solche nationalen Subventionen möglich zu machen.

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Haushalte gehen leer aus

Während große Unternehmen von der halben Stromrechnung befreit werden könnten, sind private Haushalte explizit ausgeschlossen. Und das, obwohl ursprünglich eine Stromsteuersenkung im Umfang von 5,4 Milliarden Euro pro Jahr angekündigt war – diese wurde aus Haushaltsgründen gestrichen.

Dabei hatte die CDU noch im November 2023 gefordert, die Stromsteuer für alle Stromverbraucher*innen „auf das europäische Mindestmaß“ zu senken – wenngleich schon damals die Industrie im Zentrum dieser Forderung stand.

Dass nun ein exklusives Subventionspaket für die Industrie kommt, wirkt wie eine Eingrenzung der eigenen Forderungen – zulasten der breiten Bevölkerung. Zudem birgt der Vorstoß sozialen Sprengstoff: Der Verzicht auf Entlastungen für Haushalte zugunsten von Milliardenhilfen für Konzerne dürfte den Eindruck verstärken, dass politische Prioritäten einseitig gesetzt werden.

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Kurswechsel mit Ansage

Im Januar 2025 stellte sich CDU-Parteichef Friedrich Merz im Interview mit Focus klar gegen Subventionen, als es um Söders Vorschlag einer E-Auto-Prämie ging: „Subventionen und Prämien sind grundsätzlich keine gute Lösung in unserer Wirtschaftsordnung. Sie können im Ausnahmefall gerechtfertigt sein. Aber dann muss das auch ein Ausnahmefall bleiben. Ansonsten ist es rausgeworfenes Geld und macht die Produkte nur teurer.“

Gleichzeitig warnt das Bundesfinanzministerium, dass sich das Haushaltsdefizit von derzeit 82 Milliarden Euro auf bis zu 126 Milliarden Euro bis 2029 ausweiten könnte. Ein weiteres Risiko: Die neuen Ausgaben könnten gegen die Fiskalregeln der Europäischen Union verstoßen – und das ausgerechnet unter deutscher Federführung, die bisher als Garant für europäische Haushaltsdisziplin galt.

Quellen: Financial Times; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung; Institut der deutschen Wirtschaft; European Commission; Politico; Deutscher Bundestag; Focus; Bundesministerium der Finanzen

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