Der massive Stromausfall in Spanien und Portugal im April 2025 sei ein warnendes Beispiel. In Deutschland seien bereits rund 180.000 Gigawatt an Wind- und Solarkapazitäten installiert – bei einem Bedarf von maximal 80.000 Gigawatt. Seine Schlussfolgerung: Der Blackout in Deutschland sei „so sicher wie das Amen in der Kirche“, so Hilse. Doch wie realistisch ist dieses Szenario wirklich? Was ist in Südeuropa tatsächlich passiert – und wie stabil ist das deutsche Stromnetz? Die Fakten zeigen: Das Narrativ, das Hilse aufrecht hält, ist dramatisch formuliert, aber in dieser Form kaum haltbar.
Blackout in Deutschland – Mythos oder reale Gefahr?
Am 28. April 2025 ging in Spanien und Portugal fast nichts mehr: Rund 60 Millionen Menschen waren für Stunden ohne Strom. Der Auslöser war ein plötzlicher Ausfall von etwa 15.000 Gigawatt an Kraftwerksleistung. Die Frequenz im Netz sackte ab, automatische Schutzsysteme griffen ein – und trennten die Iberische Halbinsel vorsorglich vom restlichen europäischen Stromverbund. So konnte eine Ausweitung auf andere Länder – und damit auch ein Folge-Blackout in Deutschland – verhindert werden.
Was viele dabei übersehen: Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass erneuerbare Energien diesen Blackout verursacht haben. Vielmehr deuten die bisherigen Analysen, darunter ein technischer Untersuchungsbericht der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, auf Probleme im Bereich konventioneller Kraftwerke hin. Auch ein Cyberangriff wurde inzwischen ausgeschlossen.
Und wie sieht es in Deutschland aus? Laut Bundesnetzagentur lag die durchschnittliche Stromausfallzeit pro Haushalt im Jahr 2023 bei gerade einmal 12,8 Minuten – ein europäischer Spitzenwert. Selbst in den pessimistischen Szenarien der Netzbetreiber ist nicht mit einem flächendeckenden Ausfall zu rechnen. Das System gilt als robust – und ist auf viele Eventualitäten vorbereitet.
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Was der Vorfall in Spanien wirklich zeigt
Der Stromausfall in Südeuropa wird gerne als Beleg dafür herangezogen, dass erneuerbare Energien das Netz überfordern könnten. Doch ein genauer Blick zeigt: Die Ursachen waren komplex – und bislang nicht auf Wind und Sonne zurückzuführen.
Zudem unterscheidet sich das Stromsystem dort deutlich vom Deutschen. Spanien und Portugal sind nur schwach mit dem restlichen europäischen Netz verbunden. Deutschland hingegen ist über Interkonnektoren mit einer Leistung von mehr als 20.000 Gigawatt tief in das europäische Stromsystem eingebunden. Im Notfall kann also schnell Strom aus dem Ausland bezogen werden – oder ins Ausland exportiert werden, wie es täglich geschieht.
Der Fall zeigt vor allem: Sicherheitssysteme funktionieren. Und Unterschiede zwischen nationalen Stromnetzen spielen eine zentrale Rolle. Wer die iberische Situation einfach auf Deutschland überträgt, ignoriert diese strukturellen Unterschiede.
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180.000 Gigawatt – und trotzdem keine Gefahr?
„In Deutschland sind schon jetzt fast 180 Gigawatt Nennleistung von Wind und Sonne installiert, obwohl wir nur maximal 80 Gigawatt benötigen“, betonte Hilse Mitte Mai im Deutschen Bundestag. Was der AfD-Politiker auch an dieser Stelle verkennt: Diese installierten Leistungen bedeuten nicht, dass sie rund um die Uhr zur Verfügung stehen.
Solarstrom fällt nachts komplett aus, bei trübem Wetter entsprechend weniger. Windenergie schwankt je nach Wetterlage. Die sogenannte „Nennleistung“ ist also kein verlässlicher Maßstab für die tatsächliche Stromerzeugung.
Aus ebendiesem Grund wird bewusst mehr Kapazität installiert, als rechnerisch nötig wäre. So ist das System auch in windstillen Nächten ausreichend versorgt – etwa durch Speicher, Reservekraftwerke oder Stromimporte. Es handelt sich also nicht um einen Konstruktionsfehler, sondern um ein bewusst gewähltes Sicherheitsprinzip moderner Stromsysteme.
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Wie stabil ist das deutsche Netz wirklich?
Hilse ist sich sicher: „Der Blackout wird daher auch bei uns kommen, so sicher wie das Amen in der Kirche, wie in Spanien, Portugal und Teilen Südfrankreichs, mit katastrophalen Folgen für uns alle.“
Tatsächlich zählt Deutschland weiterhin zu den Ländern mit der zuverlässigsten Stromversorgung weltweit. Die Netzbetreiber führen regelmäßig Stresstests durch – mit Szenarien wie plötzlichen Kraftwerksausfällen, Extremwetter oder stark schwankender Einspeisung. Das Ergebnis: Auch unter schwierigen Bedingungen ist das Stromnetz stabil.
Auch europaweit ist die Lage stabil. Der Winter Outlook 2024-2025 des europäischen Netzverbands ENTSO-E bescheinigt Mitteleuropa – darunter Deutschland – eine starke Versorgungssicherheit. Hohe Gasspeicherstände, gute Wasserstände für Wasserkraft sowie der Zubau bei Solar- und Windenergie schaffen günstige Bedingungen für eine zuverlässige Stromversorgung – selbst bei Kälte und Extremwetter.
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5 Pfeiler der Netzstabilität
Für die Stabilität im deutschen Stromnetz sorgen mehrere Ebenen technischer Sicherheit:
- automatische Frequenzregelung
- flexible Gaskraftwerke
- Batteriespeicher
- Redispatch (gezielte Steuerung von Kraftwerken und Lasten)
- europäische Netzverflechtung.
Deutschland kann also im Notfall auf Strom aus Nachbarländern zurückgreifen – und tut das regelmäßig auch in die andere Richtung. Gerade diese europäische Zusammenarbeit macht das System heute sicherer als je zuvor.
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Das kann tatsächlich zu Stromausfällen führen
Ein vollständiger, unkontrollierter Blackout ist extrem unwahrscheinlich. Risiken bestehen aber durchaus – sie liegen nur an anderer Stelle. Extremwetter wie Hitzewellen oder Kälteperioden können Erzeugung und Netz stark belasten. Auch technische Störungen in Kraftwerken oder Übertragungsleitungen können zu regional begrenzten Ausfällen führen. Solche Situationen sind jedoch gut beherrschbar – etwa durch Reservekraftwerke, Speicher und flexible Verbraucher*innen.
Ein weiteres Thema sind Cyberangriffe auf die Netzsteuerung. Sie gelten als ernstzunehmendes Risiko, dem mit Sicherheitskonzepten, Notfallplänen und technischer Redundanz begegnet wird. Auch lokale Netzüberlastungen, etwa an sonnigen Feiertagen mit hoher Einspeisung und geringer Nachfrage, sind bekannt – und lassen sich durch Einspeisemanagement und intelligente Netzentgelte steuern. Die Branche kennt diese Herausforderungen – und arbeitet kontinuierlich an Lösungen.
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Der Blackout ist alles andere als sicher
Die Vorstellung eines sicheren flächendeckenden Stromausfalls klingt dramatisch – hält einem nüchternen Blick auf die Fakten aber nicht stand. Der Fall in Spanien war ein ernstes Ereignis, aber kein Beweis für ein instabiles Energiesystem in Europa.
Deutschland hat sich bewusst für ein flexibles Stromsystem entschieden – mit vielen Stellschrauben, Sicherheitsmechanismen und einer breiten Erzeugungsbasis. Wind und Sonne sind dabei nicht das Problem, sondern ein wichtiger Teil der Lösung.
Ein katastrophaler Blackout in Deutschland ist also keineswegs „so sicher wie das Amen in der Kirche“ – sondern vor allem vermeidbar. Vorausgesetzt, der Ausbau der Infrastruktur, die Digitalisierung der Netze und die politische Vernunft gehen Hand in Hand.
Quellen: „Blackout and System Restoration on the Iberian Peninsula on April 28 and 29, 2025 – Factual analysis based on publicly available data and information“ (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2025); Bundesnetzagentur; Deutscher Bundestag; ENTSO-E
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