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Netztheoretiker zerfetzt Kryptowährungen in der Luft – ihr Ansatz sei „grundverkehrt“

Das Konzept des Web3 vermarktet sich als dezentralisiertes Internet. Auch Kryptowährungen sind ein fester Bestandteil des Selbstbilds. Doch laut Netztheoretiker Jürgen Geuter könnte man damit nicht falscher liegen. Er hat seine ganz eigene Meinung zu Bitcoin, NFTs und Co. und hält sie in gewisser Weise sogar für gefährlich.

Kryptowährung Bitcoin
Für Geuter sind Kryptowährungen nichts wert. © Getty Images/ Andriy Onufriyenko

Jürgen Geuter sieht in den Kryptowährungen nicht die versprochene Utopie der Freiheit im Netz. Er ist hingegen der Überzeugung, dass sie Betrug im großen Maßstab ermöglichen, das Web3 einsam macht und wir uns im dezentralisierten Internet als Menschheit voneinander entfernen.

Kryptowährungen als moderner Finanzbetrug

In einem Interview erklärt Geuter gegenüber der Zeit, dass für ihn die zahlreichen Kryptowährungen defacto wertlos sind. Sie stellen nichts dar, verbrauchen jedoch mengenweise Energie und haben daher auch eine schlechte Ökobilanz. Mit diesem Urteil schließt er sich dem deutschen Finanzexperten Peter Thilo Hasler an, der zwei klare Gründe definiert, warum schon bald niemand mehr über Kryptowährungen sprechen wird.

Doch Geuter geht noch einen Schritt weiter und deklariert Bitcoin und Co. als schlichten Betrug. Man nutze den Deckmantel technischer Innovation dafür, „die letzten 200 Jahre Finanzbetrug im Schnellverfahren“ noch einmal durchzuspielen.

In einem Gespräch gegenüber tn3 gibt er zwar zu, dass die Blockchain-Technologie dafür sorge, dass man nicht mehr Kryptowährungen ausgeben kann, als man besitzt. Allerdings spiele Cyberkriminalität und digitaler Diebstahl in der Welt des Web3 eine (de)zentrale Rolle, die durch die Anonymität maßgeblich vorangetrieben wird. So machten in der Vergangenheit schon häufiger Negativschlagzeilen zu Fake-Apps die Runde, die sich deine Kryptowährungen schnappen wollen.

Das Web3 macht frei, aber einsam

Doch nicht nur die Kryptowährungen an sich, sondern auch das Versprechen der Dezentralität stellen für Geuter ein gefährliches Konzept dar. Er beruft sich dabei auf den Ethereum-Mitgründer Gavin Wood, der gesagt haben soll „Vertrauen ist immer ein Fehler, Vertrauen muss weg aus unserer Gesellschaft.“. Durch eine dezentrale Blockchain, die keinem übergeordnetem Institut untersteht, wollte man das erreichen.

Doch Geuter findet diese Sichtweise „grundverkehrt“ und gar demokratiefeindlich. Anstelle von Freiheit sieht er im Web3 eher die Einsamkeit an erster Stelle. Wenn wir aufhören aufeinander zu vertrauen, und sei es nur zu unserem eigenen Vorteil, werden „wir ein entfremdetes und isoliertes Leben führen“.

Zudem handle es sich auch hier nur um eine Illusion: „Diese ganzen Systeme behaupten, dezentral zu sein, sie sind es aber gar nicht.“. Als Argument führt er an, dass sich Kryptowährungen wie der Bitcoin inzwischen so institutionalisiert hätten, dass es mittlerweile nur noch wenige große Mining-Pools gebe. Die Besitzer*innen wären einander alle vertraut „und die entscheiden, was geht und was nicht“.

Demokratie wird durch Autorität gewährleistet

Geuter glaubt also weder an Kryptowährungen als Finanzmittel noch an das Web3 als dezentralisiertes Internet. Stattdessen ist er sich sicher, dass wir auch im Netz auf geregelte Strukturen wie moderierte Chat-Räume angewiesen sind. Die Rolle der übergeordneten Autorität ist für die Konsensbildung in der Demokratie für ihn auch nicht wegzudenken. Er fasst zusammen:

„Man braucht Strukturen, die auch mal jemanden zu etwas zwingen können, das er oder sie nicht möchte. Anders geht es nicht.“

Jürgen Geuter via Zeit

Quellen: Zeit, tn3

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