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Balkonkraftwerk verboten: Hier darfst du es auf keinen Fall anbringen – oder?

Balkonkraftwerke boomen – doch nicht überall sind sie erlaubt. Ausgerechnet in Deutschlands Kleingärten ist der Ausbau oft blockiert.

Balkonkraftwerk auf einer Schrebergartenlaube
© Robert Poorten - stock.adobe.com / Canva.com [M]

Was ist ein Balkonkraftwerk?

Was ist eigentlich ein Balkonkraftwerk? Alles, was du wissen solltest und worauf bei der Anschaffung zu achten ist, erfährst du im Video.

Balkonkraftwerke sind kleine Solarmodule, die sich ganz einfach in eine Steckdose einstecken lassen – und schon produzieren sie sauberen Strom für den Eigenverbrauch. Eine echte Einladung zur Energiewende. Kein technisches Fachwissen nötig, keine aufwendige Installation. Doch ausgerechnet dort, wo es besonders viel Fläche, Sonne und Motivation gäbe, ist diese Technik verboten: in Kleingärten. Wer dort auf seinem Laubendach Solarstrom erzeugen will, bekommt häufig ein Nein. Der Grund ist ein Gesetz aus den 80er-Jahren – und eine Menge Missverständnisse.

42 Jahre altes Gesetz verhindert Balkonkraftwerke

Das Bundeskleingartengesetz (BKleingG) stammt aus dem Jahr 1983. Es wurde geschaffen, um Kleingärten vor Immobilienspekulation zu schützen – und schreibt in § 3 Abs. 2 ausdrücklich vor, dass Gartenlauben „nicht zum dauernden Wohnen geeignet“ sein dürfen. Ein fest installierter Stromanschluss gilt vielen Vereinen daher als rotes Tuch; das Argument lautet: Wer Strom hat, will auch wohnen – und das wäre rechtswidrig.

Das hat mit der Realität wenig zu tun. In Berlin zum Beispiel gibt es laut Kleingarten­entwicklungsplan 877 Anlagen mit 70.953 Parzellen auf rund 2.900 Hektar. Die allermeisten dieser Parzellen verfügen bereits über einen Stromanschluss – offiziell „Arbeitsstrom“ genannt.

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Gerichte sprechen Klartext: Klimaschutz hat Vorrang

Balkonkraftwerke sind längst gesetzlich geregelt: Seit dem Solarpaket I, beschlossen am 26. April 2024, sind bis zu 800 Watt Wechselstrom-Leistung pro Anlage erlaubt. Der Netzanschluss wurde drastisch vereinfacht. Viele Bundesländer legen sogar noch Geld drauf: Das Berliner Landesprogramm SolarPLUS bezuschusst Steckersolargeräte mit 250 Euro pro Anlage.

Trotzdem blockieren viele Kleingartenvereine die Nutzung – aus Sorge, gegen das BKleingG zu verstoßen. Manchmal empfehlen sie dem Tagesspiegel zufolge sogar, das Solarmodul nur im sogenannten Inselbetrieb zu nutzen – also mit Akku und ohne Netzanschluss. Doch das ist teuer, ineffizient und technisch veraltet. Moderne Photovoltaik-Module brauchen keinen Speicher, um sinnvoll zu funktionieren.

Ein wegweisendes Urteil kam am 30. April 2025 vom Landgericht Dessau-Roßlau (Az: 2 O 459/24): Ein Verein durfte ein Balkonkraftwerk nicht pauschal verbieten; das öffentliche Interesse am Klimaschutz wiegt schwerer als formale Satzungsregeln. Gestützt wird das auch durch das Bundesverfassungsgericht, das in einem Beschluss vom 24. März 2021 den Klimaschutz als verfassungsrechtliche Pflicht festschrieb.

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Ungenutzte Solar-Goldmine

Wenn nur die Hälfte der 70.953 Berliner Parzellen ein 800-W-Modul mit durchschnittlich circa 850 Kilowattstunden Jahresertrag betreiben würde – ein Wert, den das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) als typische Dach-Kennzahl nennt – entstünden mehr als 30 Gigawattstunden Strom pro Jahr. Das reicht für rund 8.000 Vier-Personen-Haushalte.

Schon Ende 2023 brachte der Bundesrat einen Gesetzentwurf ein, der Photovoltaik bis 800 Watt ausdrücklich in Kleingärten erlauben würde. Jedoch ruht das Verfahren derzeit. Berlin, das allein 82 Prozent seiner Kleingartenflächen dauerhaft sichert und ein eigenes Förderprogramm unterhält, könnte die Initiative neu starten – oder per Verwaltungsvorschrift sofort Klarheit auf landeseigenem Grund schaffen.

Viele Kleingartenvereine befürchten, mit einer Solaranlage käme die Wohnnutzung durch die Hintertür. Doch klare Regeln zu Leistung, Anschluss und Nutzung verhindern das – und machen aus einer Laube noch lange kein Wochenendhaus. Die Technik ist da, die Förderung steht bereit, die Gesetzeslage entwickelt sich hin zur Vereinfachung. Und der rechtliche Rückhalt ist eindeutig: Klimaschutz hat Vorrang.

Quellen: Bundeskleingartengesetz; Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt; Bundesministerium für Wirtschaft und Energie; Tagesspiegel; Bundesverfassungsgericht; Landgericht Dessau-Roßlau; Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme; Deutscher Bundestag

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