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Weltraum: Der Anblick unserer Erde macht traurig – aus einem Grund

Unsere Erde vom Weltraum aus zu sehen, ist eigentlich ein erhabener Anblick. Tatsächlich kann er aber auch sehr traurig stimmen. Dafür gibt es einen Begriff: den Overview-Effekt.

Foto der Erde vom Weltraum aus.
Vom Weltraum bietet die Erde einen erhabenen Anblick. © FrameAngel / stock.adobe.com

Für die meisten Menschen wird der einzige Blick auf die Erde als Kugel über ein Foto erfolgen. Und nur die wenigsten kommen in den Genuss, den blauen Planeten auch tatsächlich vom Weltraum aus zu sehen. Der Anblick kann dabei nicht nur für helle Begeisterung sorgen.

Traurigkeit im Weltraum

Die Vorstellung, dass die Reise in den Weltraum nur von speziell dafür ausgebildeten Personen angetreten werden kann, ist mittlerweile überholt. Heute dürfen (schwerreiche) Zivilisten eine Rakete besteigen und einen Privatflug zur ISS buchen. Auch US-Schauspielveteran William Shatner („Raumschiff Enterprise“) hatte 2021 die Möglichkeit dazu.

In einem neuen Buch schildert er seine Erfahrung von dem Trip. Dabei schlägt er in einem Auszug bei dem US-Magazin Variety unerwartet traurige Töne an. Unter anderem schreibt er:

„Alles was ich dachte, war falsch. Alles was ich zu sehen erwartete, war falsch. Der Kontrast zwischen der teuflischen Kälte des Alls und der nährenden Wärme der Erde erfüllte mich mit überwältigender Traurigkeit. Jeden Tag werden wir mit dem Wissen der weiteren Zerstörung der Erde durch unsere Hand konfrontiert: die Auslöschung von Tierarten, von Flora und Fauna … Dinge, die fünf Milliarden Jahre für die Entwicklung brauchten und plötzlich werden wir sie nie wieder sehen wegen der Einmischung der Menschheit. Es erfüllte mich mit Grauen. Meine Reise ins All sollte eine Feier sein. Stattdessen fühlte es sich wie ein Begräbnis an.“

William Shatner, „Boldly Go: Reflections on a Life of Awe and Wonder“ (2022)

Overview-Effekt: Wenn man die Erde vom Weltraum aus betrachtet

Shatners Reaktion auf einen Anblick, der einem eigentlich vor lauter Staunen die Sprache verschlagen sollte, ist kein Einzelfall. Tatsächlich gibt es dafür sogar einen eigenen Begriff: den Overview-Effekt.

Der Begriff stammt aus dem Jahr 1987 aus dem gleichnamigen Buch von Frank White. Damit beschreibt er, wie der Ausflug ins All zu einer kognitiven Veränderung führt. Die Sichtweise auf die Erde und die Menschen wird durch die Erfahrung stark beeinflusst.

Es stellt sich ein Gefühl von Ehrfurcht, Verbundenheit und Verantwortung für unseren Planeten und all seinen Geschöpfen ein. Neben eigenen Überlegungen kommen im Buch auch verschiedene Astronauten zu Wort. Zudem gibt es den Kurzfilm „Overview“, der das Phänomen beleuchtet.

Es gibt auch Hoffnung für die Erde

Wie Science Alert berichtet, haben in der jüngeren Vergangenheit neben Shatner noch weitere Leute im All ähnliche Erfahrungen geteilt. Tatsächlich fand eine Umfrage unter 39 raumfahrenden Personen über ihre Wahrnehmung der Erde statt. Diese habe sich merklich verändert seit ihren jeweiligen Missionen, wie es in der 2020 veröffentlichten Studie heißt.

Und nicht nur das: Die Untersuchungsergebnisse legten auch nahe, dass die Leute anschließend selbst aktiv wurden und sich für Umweltbelange einsetzten. Ein Effekt, der der Erde sicherlich guttäte, würden viel mehr Menschen es ihnen nachmachen. Tatsächlich war noch 2019 die Rede von einem Versuch, den Overview-Effekt auch direkt auf der Erde nachzustellen. Denn bislang scheint er auch ausschließlich durch die Live-Erfahrung im All zu wirken und sonst nicht anders.

Quellen: frankwhiteauthor.com, Science Alert, Vimeo / Planetary Collective, „Spirituality, humanism, and the Overview Effect during manned space missions“ (Acta Astronautica, 2020), The Guardian, Variety

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