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15.000 Jahre alte Viren in Gletscher entdeckt – sie haben „surreale genetische Signaturen“

Forschende haben ganze 33 Viren identifiziert, von denen sie 28 bislang gar nicht kannten. Sie verbargen sich jahrtausendelang in einem tibetanischen Gletscher.

Person wandert in einer Gletscherspalte
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Auf einem tibetanischen Plateau entdeckte ein Forschungsteam um Zhi-Ping Zhong vom Byrd Polar- und Klimaforschungszentrum der Ohio State University eigenartige Viren. Sie datierten sie auf ein Alter von gut 15.000 Jahren – doch ist das nicht das einzige, was die Mikroben besonders machte. Denn die meisten von ihnen waren der Wissenschaft bislang gänzlich unbekannt. Die Forschenden extrahierten Eisbohrkerne aus dem Guliya-Eiskappen, die eine reiche Archivierung der atmosphärischen Geschichte und der viralen Präsenz durch die Jahrtausende offenbarten.

Mikroben und Viren im Eis

Die tibetanischen Gletscher hätten sich allmählich gebildet und neben Gasen und Staub etliche Mikroben eingeschlossen, erklärte Zhi-Ping bereits 2021. Da diese Eiskappen bislang kaum erforscht seien, habe das Ziel des Teams darin bestanden, die historischen Bedingungen zu Zeiten während und vor ihrer Entstehung nachzuvollziehen.

Insgesamt identifizierte das Team 33 Krankheitserreger. Fünf von ihnen waren der Forschung bereits bekannt, die verbliebenen 28 nicht. Ihre Studie, veröffentlicht im Journal Microbiome, enthüllt, wie diese antiken Viren unter gefrorenen Bedingungen überlebten und deutet auf ihre einzigartigen Anpassungen hin. Etwa die Hälfte der entdeckten Viren gedieh wegen des Eises und besaß Gene, die das Überleben in kalten Umgebungen erleichterten.

„Diese Viren verfügen über Gensignaturen, die ihnen helfen, Zellen in kalten Umgebungen zu infizieren – einfach surreale genetische Signaturen dafür, wie ein Virus unter extremen Bedingungen überleben kann“, betonte Matthew Sullivan, Mitautor der Studie, Professor für Mikrobiologie an der Ohio State University und Direktor des Ohio State Center of Microbiome Science. „Diese Signaturen sind nicht leicht herauszufinden, und die von Zhi-Ping entwickelte Methode zur Dekontaminierung der Kerne und zur Untersuchung von Mikroben und Viren im Eis könnte uns helfen, in anderen extremen eisigen Umgebungen nach diesen Gensequenzen zu suchen – zum Beispiel auf dem Mars, dem Mond oder näher an der Erde in der Atacama-Wüste.“

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„Wir wissen sehr wenig“

Das Forschungsteam verwendete neben traditionellen auch neuartige Techniken, um die Eisbohrkerne genau zu datieren. Ihre Analyse trug zum breiteren Feld der Mikrobiologie bei, indem sie eine neue Perspektive darauf bot, wie Viren sich über Jahrhunderte hinweg entwickeln und überleben. Die Ergebnisse aus den Guliya-Eiskernbohrungen weisen auch darauf hin, dass die Viren wahrscheinlich ihren Ursprung in Boden oder Pflanzen hatten, nicht in Tieren oder Menschen.

Lonnie Thompson, leitender Autor und eminenter Universitätsprofessor für Erdwissenschaften an der Ohio State University, betonte die Bedeutung der Studie für das Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels auf mikrobielle und virale Ökosysteme. Die Erforschung von Viren in Gletschereis ist ein relativ neues, aber wachsendes Interessensgebiet. Es geht darum, wie Bakterien und Viren auf Klimaübergänge reagieren, was für die Vorhersage zukünftiger Umweltveränderungen von entscheidender Bedeutung ist.

„Wir wissen sehr wenig über Viren und Mikroben in diesen extremen Umgebungen und darüber, was dort tatsächlich vorkommt“, so Thompson. „Die Dokumentation und das Verständnis dessen ist extrem wichtig: Wie reagieren Bakterien und Viren auf den Klimawandel? Was passiert, wenn wir von einer Eiszeit zu einer Warmzeit übergehen, wie wir sie jetzt haben?“

Quelle: Ohio State News; „Glacier ice archives nearly 15,000-year-old microbes and phages“ (Microbiome, 2021)

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