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Kosmische Anomalie entdeckt: Forscher müssen Einsteins Relativitätstheorie neu denken

Die allgemeine Relativitätstheorie wird als Meilenstein der Physik betrachtet. Trotzdem könnte sie in bestimmten Aspekten ungenau sein.

KI-generiertes Bild des Weltalls
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Schwarze Löcher – das solltest du wissen

Über Schwarze Löcher gibt es vieles zu wissen. Wir verraten dir einige der wichtigsten Fakten über die geheimnisvollen Giganten.

Im letzten Jahrhundert haben unzählige Studien die Robustheit von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie bestätigt. Diese Theorie sagt Phänomene wie Schwarze Löcher und die alltägliche Nutzung von GPS-Technologie voraus. Dank jüngster technologischer Fortschritte können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Universum mit beispielloser Detailgenauigkeit beobachten und dabei Phänomene entdecken, die Einsteins Thesen in großen Maßstäben infrage stellen könnten.

Relativitätstheorie in großen Maßstäben

Die Relativitätstheorie besagt, dass die Gravitation aus der Krümmung der Raumzeit resultiert. Doch bei Galaxienhaufen, die sich über Milliarden von Lichtjahren erstrecken, scheint diese Krümmung von Einsteins Vorhersagen abzuweichen. Robin Wen von der University of Waterloo stellte fest, dass die Gravitation auf diesen enormen Skalen scheinbar nicht mehr perfekt mit Einsteins Theorie übereinstimme.

Wen ist Teil einer Zusammenarbeit zwischen der University of Waterloo und der University of British Columbia. Die Forschenden versuchen, diesen „kosmischen Glitch“ zu lösen. Ihre Studie, veröffentlicht im Journal of Cosmology and Astroparticle Physics, legt nahe, dass die Gravitation auf diesen enormen Skalen etwa ein Prozent schwächer wird. Diese Abweichung stellt die Genauigkeit von Einsteins Theorie infrage.

Trotz dieses Ergebnisses sind Kosmologinnen und Kosmologen nicht bereit, die Allgemeine Relativitätstheorie aufzugeben. „Dieses Modell der Schwerkraft war für alles von der Theorie des Urknalls bis zur Fotografie schwarzer Löcher von grundlegender Bedeutung“, erklärte Wen im Rahmen einer Pressemitteilung. Einsteins Arbeit bleibe ein äußerst präzises Rahmenwerk, um die Gravitation auf kleineren Skalen zu verstehen. Wen betonte, dass ihre Forschung auch nicht die Funktion von Technologien wie GPS oder unser Verständnis von Schwarzen Löchern untergrabe. Sie untersuche lediglich mögliche Abweichungen auf den größtmöglichen Skalen.

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Bisheriger Stand könnte „unzureichend sein“

Das Forschungsteam entdeckte die Anomalie, als sie Daten der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung, des Nachglühens des Urknalls, untersuchten. Sie verwendeten ein Modell, das auf fundamentalen physikalischen Gesetzen, einschließlich Einsteins Erkenntnissen, basiert und verglichen die vorhergesagten Daten mit tatsächlichen Beobachtungen. Indem sie die Theorie anpassten, um ein Prozent Gravitationseinbuße zu berücksichtigen, stimmte das Modell besser mit den Beobachtungsdaten überein.

„Vor fast einem Jahrhundert entdeckten die Astronomen, dass sich unser Universum ausdehnt“, ergänzte Niayesh Afshordi, Professor für Astrophysik an der University of Waterloo und Forscher am Perimeter Institute. „Je weiter die Galaxien entfernt sind, desto schneller bewegen sie sich, bis zu dem Punkt, an dem sie sich fast mit Lichtgeschwindigkeit zu bewegen scheinen, dem von Einsteins Theorie erlaubten Maximum. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Einsteins Theorie in diesen Größenordnungen ebenfalls unzureichend sein könnte.“

Normalerweise sollte die Expansionsrate des Universums einheitlich sein, doch lokale Beobachtungen deuten auf eine schnellere Rate im Vergleich zu entfernten Regionen hin. Eine um ein Prozent schwächere Gravitation auf großen Skalen könnte diese Diskrepanz verringern.

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„Fußnote zu Einsteins Theorie“

Die mögliche Existenz dieses kosmischen Glitches könnte Forschenden helfen, verschiedene Spannungen in unserem Verständnis des Universums zu versöhnen. Dennoch liefert die Studie keinen endgültigen Beweis. Zukünftige Daten, die in den nächsten zehn Jahren erwartet werden, werden entscheidend sein, um festzustellen, ob es sich um eine tatsächliche Entdeckung oder eine statistische Anomalie handelt.

„Stellen Sie sich das wie eine Fußnote zu Einsteins Theorie vor“, so Wen. „Sobald man einen kosmischen Maßstab erreicht hat, gelten andere Bedingungen.“ Afshordi fügte hinzu, dass dieses neue Modell möglicherweise der erste Hinweis in einem kosmischen Puzzle sei, das man dabei sei, über Raum und Zeit hinweg zu lösen.

Wen und sein Team planen, neue Daten vom Dark Energy Spectroscopic Instrument (DESI) zu untersuchen, das die größte dreidimensionale Karte des Universums erstellt hat. Die Ergebnisse von DESI würden zeigen, dass sich die Dunkle Energie ähnlich wie die Gravitation auf großen Skalen nicht wie erwartet verhalte. Die Forschenden wollen herausfinden, ob diese Anomalien miteinander verbunden sind, was weitere Beweise für die Notwendigkeit liefern könnte, die Allgemeine Relativitätstheorie zu überarbeiten.

Quellen: „A cosmic glitch in gravity“ (Journal of Cosmology and Astroparticle Physics, 2024); University of Waterloo

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