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Erde pellt sich: Überraschende Entdeckung unter der Sierra Nevada

Eine neue Studie zeigt deutlich, wie sich die Erdkruste unter unseren Füßen wandelt. Sie pellt sich wie eine Raupe aus ihrem Kokon.

Querschnitt der Erdkruste
© Thiago - stock.adobe.com [M]

Was würde passieren, wenn die Erde aufhört, sich zu drehen?

So verändert sich die Erde, wenn sie sich aufhören würde zu drehen.

Die Erdkruste wandelt sich von geschmolzenem Gestein zu festem Land. Dieser Prozess nimmt allerdings eine so unvorstellbar lange Zeit in Anspruch, dass er für das menschliche Auge quasi unsichtbar abläuft. Aktuelle seismische Studien in der kalifornischen Sierra Nevada haben neue Erkenntnisse darüber geliefert, wie sich die Kruste vom dichten Mantel darunter trennt. Forschende haben dafür fast 40 Jahre an Daten ausgewertet und so das Verständnis der geologischen Entwicklung der Erde erweitert.

Erdkruste im Wandel

Die Kruste der Erde lässt sich in zwei Haupttypen unterteilen: die kontinentale und die ozeanische. Die kontinentale Kruste ist leichter, weil sie mehr Silikate, Aluminium und Kalium enthält – sie schwimmt deshalb höher. Die ozeanische Kruste ist schwerer, weil sie mehr Eisen und Magnesium enthält, und liegt daher tiefer. Dieser Unterschied entsteht, weil schwerere Materialien absinken, während leichtere aufsteigen und die Kontinente bilden.

Eine mögliche Erklärung für diese Teilung ist, dass dichte Basalte unter Druck und im Zusammenspiel mit Wasser schmelzen. Dabei trennen sich die Minerale in Schichten, und die schwereren Bestandteile sinken in den Mantel ab, während die leichteren an der Oberfläche bleiben. Dieser Delamination genannte Vorgang ist schwer direkt zu beobachten, weil er extrem langsam abläuft.

Die Sierra Nevada ist ein idealer Ort, um das Phänomen genauer zu untersuchen. Ständige kleine Erdbeben in dieser seismisch aktiven Region erzeugen Wellen, mit denen Forschende die Tiefe der Erdkruste „durchleuchten“ können. Frühere Hinweise deuteten zwar auf Delamination hin, aber die Daten waren nicht eindeutig. Einige dieser Signale könnten auch von Überresten einer alten, subduzierten Erdplatte stammen.

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Die Lithosphäre unter der Sierra Nevada

Neue Untersuchungen zeigen eine große Scherzone, also einen Bereich der Erdkruste, in dem Gesteinsschichten durch Scherbewegungen deformiert werden, unter der zentralen und südlichen Sierra Nevada. Hier löst sich die Lithosphäre (die feste Außenschicht der Erde) und sinkt in den Mantel ab. Dieser Prozess dauert Millionen von Jahren und zieht sich über Hunderte von Kilometern hin. Die in den Geophysical Research Letters veröffentlichte Studie bestätigt, dass die kalifornische Kruste ihre dichten unteren Schichten langsam verliert, was Theorien zur Dynamik des Erdmantels unterstützt.

Diese Erkenntnisse legen nahe, dass solche Prozesse auch in anderen Regionen der Welt stattfinden. Die Kräfte, die unter der Erdoberfläche wirken, formen nicht nur Berge, Becken und Kontinente, sondern zeigen auch, wie dynamisch unser Planet ist. Mit der Analyse seismischer Wellen können Forschende immer tiefer in diese unsichtbaren Vorgänge eintauchen und unser Verständnis der Erde weiter vertiefen.

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So ging das Team vor

Im Rahmen ihrer Untersuchung kombinierten die Forschenden zwei unabhängige Methoden, um die Prozesse in der unteren Kruste und im oberen Mantel unter der Sierra Nevada zu untersuchen. Zum einen führten sie eine Analyse der Seismizität – sie beschreibt die Häufigkeit, Verteilung und Stärke von Erdbeben – durch, basierend auf Erdbebenkatalogen von 1985 bis 2023. Dabei untersuchten sie insbesondere die tiefen Erdbeben mit über 40 Kilometern Tiefe.

Zum anderen führten sie Receiver-Funktion-Analysen an seismischen Stationen durch, um Materialkontraste und Anisotropien an der Krusten-Mantel-Grenze zu erfassen. Durch diese Methode konnte das Team Scherstrukturen und anisotrope Signaturen im Mantel unterhalb der Moho identifizieren, die mit der west- bis südwestwärts gerichteten Entlastung der Lithosphäre übereinstimmen.

Die Receiver-Funktion-Analyse ist eine Methode in der Seismologie, bei der Wellen, die von der Mohorovičić-Diskontinuität (Moho) – die Grenze zwischen der Erdkruste und dem darunterliegenden Mantel – reflektiert oder gebrochen werden, analysiert werden. Sie ermöglicht Rückschlüsse auf Materialkontraste und Strukturen unter der Erdoberfläche.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen eine sub-Moho-Scherzone von der südlichen bis zur zentralen Sierra Nevada. Während der Prozess im Süden vor 3–4 Millionen Jahren abgeschlossen ist, weist die tief liegende Seismizität im zentralen Bereich auf eine noch aktive Lithosphärenabsenkung hin. Im Norden fehlen Hinweise auf Aktivität, was eine nordwärts fortschreitende Differenzierung der kontinentalen Kruste nahelegt.

Quelle: „Lithospheric Foundering in Progress Imaged Under an Extinct Continental Arc“ (Geophysical Research Letters, 2024)

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