Forschende haben auf der chinesischen Raumstation Tiangong eine neue Bakterienart entdeckt. Im Mai 2023 entnahm die Crew der Shenzhou-15 Mission Oberflächenproben, aus denen Forschende den bisher unbekannten Stamm JL1B1071T isolierten. Dieser wies Eigenschaften auf, die bei bekannten Bakterien auf der Erde nicht vorkommen. Passend zum Fundort erhielt die neue Art den Namen Niallia tiangongensis.
Unbekannte Spezies auf chinesischer Raumstation
Das Bakterium gehört zur Gattung Niallia, deren bekanntester Vertreter Niallia circulans ist – ein bodenbewohnendes, sporenbildendes Bakterium. Genetische Analysen zeigten jedoch deutliche Unterschiede. Die durchschnittliche Nukleotididentität und die digitale DNA-DNA-Hybridisierung lagen mit 83,3 beziehungsweise 27,5 Prozent klar unter den Schwellenwerten, die für eine Artzuordnung nötig wären. Damit steht fest: Niallia tiangongensis ist eine eigene, bisher unbekannte Spezies.
Wie viele seiner Verwandten bildet das Bakterium widerstandsfähige Sporen, um extreme Bedingungen zu überleben. Es ist in der Lage, Gelatine abzubauen und daraus Kohlenstoff- und Stickstoffquellen zu gewinnen – eine Besonderheit, die ihm bei Nährstoffmangel im Weltraum zugutekommt. Mithilfe dieser Substanzen kann es schützende Biofilme bilden, die das Überleben unter harschen Umweltbedingungen sichern.
Das Genom von Niallia tiangongensis besteht aus 5,16 Millionen Basenpaaren und hat einen Guanin-Cytosin-Gehalt von 35,6 Prozent. Besonders auffällig sind Veränderungen in bestimmten Proteinen, etwa BshB1 und SplA. Diese könnten eine bessere Resistenz gegen oxidative Belastung, Strahlung und weitere Stressfaktoren fördern. Auch chemotaxonomisch unterscheidet sich der Stamm von verwandten Arten, unter anderem durch den Nachweis von Menaquinon-7 und charakteristischen Fettsäuren.
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Weitere Analysen nötig
Ob sich die Eigenschaften des Bakteriums erst auf der chinesischen Raumstation entwickelt haben oder schon vor dem Transport vorhanden waren, ist bislang unklar. Sicher ist: Niallia tiangongensis hat sich gut an die Bedingungen in der Tiangong angepasst. Während es manche Energiequellen nicht mehr verwerten kann, nutzt es gezielt jene Fähigkeiten, die ihm in der lebensfeindlichen Umgebung nützen.
Mikroben wie diese könnten langfristig Auswirkungen auf die Gesundheit von Astronautinnen und Astronauten haben – insbesondere bei geschwächtem Immunsystem. Die Forschung zeigt, wie schnell sich Mikroorganismen an neue Lebensräume anpassen. Für zukünftige Missionen zum Mond oder Mars wird es entscheidend sein, solche Entwicklungen zu kennen und kontrollieren zu können.
Quelle: „Niallia tiangongensis sp. nov., isoliert von der chinesischen Raumstation No Access“ (International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology, 2025)
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