Veröffentlicht inScience

Leben wir in einer Simulation? Dieses Naturgesetz soll die Antwort liefern, so Studie

Bringt eine kühne These die Gravitation ins Wanken? Ein Physiker sieht das Universum als gigantisches Computerprogramm.

Schwarzes Loch vor einer Tafel
© Cedric / lembergvector - stock.adobe.com / Canva.com [M]

Was sind Gravitationswellen?

Albert Einstein stellte mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie unser Verständnis von Physik auf den Kopf. Demnach krümmen schwere Objekte im Universum die Raumzeit.

Der Physiker Melvin Vopson von der University of Portsmouth schlägt in einem aktuellen Forschungsartikel vor, dass Gravitation möglicherweise keine echte Naturkraft sei, sondern ein Hinweis darauf, dass das Universum wie ein riesiges Computerprogramm funktioniere. Dabei argumentiert er, dass das, was wir als Gravitation erleben, ein Nebenprodukt der universellen Informationsverarbeitung sein könnte. Damit stellt er das klassische Verständnis von Gravitation grundlegend infrage und stützt stattdessen die sogenannte Simulationstheorie.

Von der Infodynamik zur Simulationstheorie

Im Zentrum seiner Theorie steht das sogenannte zweite Gesetz der Infodynamik. Dieses besagt, dass die Informationsentropie – also das Maß an Unordnung innerhalb eines Informationssystems – in einem geschlossenen System nur gleich bleiben oder sinken kann. Das steht im Gegensatz zur Thermodynamik, bei der die physikalische Entropie in einem abgeschlossenen System mit der Zeit immer zunimmt. Vopson überträgt diese neue Regel auf das gesamte Universum und betrachtet es als digitales System, das Informationen möglichst effizient verwalten will.

Laut der Forschungsarbeit, die Professor Vopson im Fachjournal AIP Advances veröffentlicht hat, ist der Raum nicht kontinuierlich, sondern besteht aus winzigen, diskreten Zellen – ähnlich wie Pixel auf einem Bildschirm. Jede dieser sogenannten Elementarzellen speichert ein Informationsbit. Wenn Materie in diese Struktur eingebracht wird, erhöht sich die Komplexität der gespeicherten Information. Kommen die Teilchen näher zusammen, sinkt diese Komplexität wieder. Dieses Verhalten erinnert stark an die Wirkung von Gravitation – nur dass es hier um Informationsvereinfachung geht.

Auch interessant: Ende des Universums wohl früher als gedacht – Forscher zeigen überraschende Zeitrechnung

Entropische Anziehung

Vopson demonstriert diesen Prozess anhand eines vereinfachten zweidimensionalen Beispiels. Darin bewegen sich vier zufällig platzierte Teilchen so, dass sie sich im Zentrum treffen und zu einem größeren Objekt verschmelzen. In diesem Zustand ist die Informationsentropie deutlich geringer als zuvor. Das System erreicht eine Art Gleichgewicht – so, wie man es auch aus thermodynamischen Prozessen kennt. Doch hier liegt der Fokus auf der Minimierung von Daten statt Energie.

Diese Veränderung entsteht nicht durch eine mysteriöse Kraft, sondern durch eine Art entropische Anziehung. Die Teilchen bewegen sich, weil das System so effizienter wird. Es muss weniger Information speichern und verarbeiten. Genau dieses Verhalten kennt man auch aus digitalen Simulationen: Sie versuchen, Daten zu komprimieren, um Rechenleistung zu sparen. Gravitation wäre in diesem Fall kein Naturgesetz, sondern ein Resultat datenökonomischer Prozesse – folglich ein Beleg der Simulationstheorie.

Obwohl Vopson zeigt, wie sich das Newtonsche Gravitationsgesetz aus seiner „Second Law of Infodynamics“ ableiten lässt, bleibt offen, ob die von ihm postulierte Informationsentropie physikalisch dieselbe Größe ist, die in etablierten Theorien gemessen wird. In realen Gravitationssystemen – etwa bei der Bildung von Sternen oder Schwarzen Löchern – steigt die thermodynamische Entropie nachweislich an, weil Strahlung freigesetzt und Materie aufgeheizt wird.

Auch interessant: Alle 4,5 Tage: NASA entschlüsselt mysteriöses Signal aus dem All

Einfache Strukturen für komplexe Daten

Vopson zeigt, dass sich mit dieser Idee sogar das klassische Gravitationsgesetz von Isaac Newton herleiten lässt. Durch die Verbindung von Energie, Temperatur und Informationsentropie erhält er eine Formel, die mit der bekannten Gravitationsformel übereinstimmt. Damit bietet seine Theorie nicht nur ein neues Verständnis von Gravitation, sondern auch einen eleganten mathematischen Beleg dafür.

Er vergleicht sein Modell mit dem Ansatz des Physikers Erik Verlinde, der bereits 2011 eine sogenannte entropische Gravitation vorgeschlagen hatte. Verlinde nutzte dazu das Konzept holografischer Informationsspeicherflächen. Vopsons Modell verzichtet auf solche Annahmen. Stattdessen basiert es auf dem Prinzip, dass Masse, Energie und Information gleichwertig sind – und dass Informationsentropie aktiv reduziert wird.

Das bedeutet auch: Materie bewegt sich im Raum nicht einfach, weil sie Masse hat, sondern weil sie dadurch ihren Informationsabdruck im „Raumgitter“ reduziert. Ein einziges großes Objekt verursacht weniger Rechenaufwand als viele kleine. Dieser Gedanke entspricht dem Vorgehen in Computersimulationen und somit der Simulationstheorie – dort wird ebenfalls nach Wegen gesucht, komplexe Daten in möglichst einfache Strukturen zu überführen.

Vopsons Ansatz verlangt also, dass das Universum durch Zusammenballung von Materie Entropie abbaut, um Rechenressourcen zu sparen – ein Prozess, der den beobachteten Energie- und Entropiebilanzen widerspricht und bislang weder kosmologisch noch im Labor quantifizierbar bestätigt wurde. Selbst Verlindes entropische Gravitation betont, dass erst zusätzliche empirische Tests entscheiden können, ob eine rein informationstheoretische Beschreibung die klassische Gravitation wirklich ersetzt – Tests, bei denen Verlindes Modell bislang gemischte Resultate liefert.

Auch interessant: Urknall-Theorie widerlegt? Physiker präsentiert bizarre Alternative

Leben wir in einer Simulation?

In dieser Sichtweise wird das Universum zu einem gigantischen Rechenprozess, in dem Regeln wie Symmetrie oder Gravitation nicht zufällig sind, sondern aus Effizienzgründen entstehen. Alles strebt nach Kompression, nach möglichst schlanker Informationsdarstellung. Wenn das stimmt, dann könnte Gravitation tatsächlich der Beweis dafür sein, dass wir in einer Art Simulation leben – mit einem Code, der ständig versucht, sich selbst zu optimieren.

Das abschließende Gedankenspiel, Gravitation als Hinweis auf eine umfassende Computersimulation zu deuten, berührt zudem das Problem der Falsifizierbarkeit: Wenn jede beobachtete Gesetzmäßigkeit lediglich als „Rechentrick“ eines kosmischen Codes umgedeutet werden kann, fehlt ein eindeutiges Kriterium, das die Simulationsthese widerlegbar macht.

Außerdem stützt sich Vopson auf die Annahme eines scharfen, planck-skalierten Raumgitters, obwohl die bislang genauesten Tests der Lorentz-Invarianz (etwa mit hochenergetischer Gamma-Strahlung) keine Spur einer diskreten Mikrophysik zeigen. Selbst wenn Raum letztlich digital wäre, wäre noch zu klären, warum Quantenfelder und allgemeine Relativität – beides kontinuierliche Theorien – auf allen derzeit erreichbaren Skalen so präzise funktionieren.

Ohne präzise Vorhersagen, die sich von jenen der Standardkosmologie unterscheiden und experimentell prüfbar sind, bleibt die Simulationstheorie bislang eher ein philosophisches Narrativ als ein physikalisches Modell.

Quellen: „Is gravity evidence of a computational universe?“ (AIP Advances, 2025); The Conversation; „On the origin of gravity and the laws of Newton“ (Journal of High Energy Physics, 2011)

Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Hier kannst du den Betroffenen helfen.

Du willst mehr von uns lesen? Folge uns auf Google News.