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Sonne: Hinweis auf historische Katastrophe entdeckt – stärker als 500 Ausbrüche

Ein prähistorischer Sonnensturm übertrifft alle bislang bekannten Rekorde: Forschende haben Hinweise auf das bislang größte Weltraumwetterereignis in der Geschichte unseres Planeten entdeckt.

Sonneneruption
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Woraus besteht die Sonne? Das wird dich überraschen

Der gigantische Feuerball am Himmel hält immer noch viele Rätsel für uns bereit.Doch eines wollen wir für dich klären: Woraus besteht die Sonne?

Ein internationales Forschungsteam hat die bislang stärkste bekannte Sonneneruption identifiziert – sie ereignete sich im Jahr 12.350 vor Christus. Der damit verbundene Sturm auf der Sonne verursachte einen außergewöhnlich starken Anstieg des radioaktiven Kohlenstoffs (Radiokarbon, ^14C) in der Erdatmosphäre. Dieser Anstieg ließ sich anhand von Baumringen aus den französischen Alpen präzise nachweisen. Die gemessene Radiokarbonzunahme war nahezu doppelt so hoch wie der bisherige Spitzenwert aus dem Jahr 775 nach Christus. Bemerkenswert ist zudem der Zeitpunkt des Geschehens: Es fiel in die späte Eiszeit – also noch vor Beginn des Holozäns, jener rund 12.000 Jahre währenden stabilen Klimaperiode, in der die menschlichen Zivilisationen entstanden.

Historische Sonneneruption enthüllt

Um die Stärke des Ereignisses realistisch einzuschätzen, nutzte ein internationales Forschungsteam das neu entwickelte Modell SOCOL:14C-Ex. Es wurde speziell dafür konzipiert, Radiokarbonveränderungen unter eiszeitlichen Bedingungen zu simulieren – etwas, das bisherige Modelle nicht leisten konnten. Die Auswertung ergab, dass der Sturm etwa 18 Prozent stärker war als der bisherige Rekord aus dem Jahr 775. Wahrscheinlich fand er zwischen Januar und April statt, am wahrscheinlichsten im März. Die Modellrechnungen stimmen sehr gut mit den gemessenen Radiokarbonwerten überein.

Während des Sturms trafen extrem energiereiche Teilchen auf die Erdatmosphäre und verursachten eine außergewöhnlich hohe Produktion von Radiokarbon. Besonders betroffen waren die Polarregionen, wo das Magnetfeld der Erde deutlich schwächer war. Die Forschenden simulierten, wie sich das 14C weltweit verteilte, und stellten regionale Unterschiede von bis zu einem Promille (‰) fest – je nachdem, wie viel Vegetation und Ozeanfläche vor Ort als Kohlenstoffsenke wirkte.

Das Ausmaß des Ereignisses war enorm: „Verglichen mit dem größten Ereignis der modernen Satellitenära – dem Partikelsturm von 2005 – war das alte Ereignis von 12.350 v. Chr. nach unseren Schätzungen mehr als 500 Mal so intensiv“, erklärte Dr. Golubenko in einer Pressemitteilung der University of Oulu.

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Nutzen für die Archäologie

Wäre ein solcher Sturm heute möglich, würde er Satelliten lahmlegen, Stromnetze stören und weltweite Kommunikationssysteme gefährden. Die im Fachjournal Earth and Planetary Science Letters veröffentlichte Studie liefert deshalb nicht nur Erkenntnisse zur vergangenen Aktivität der Sonne, sondern auch wertvolle Hinweise für den Schutz moderner Technologien.

Für die Forschung zur Datierung historischer Ereignisse ist der Fund ein Meilenstein. Solche abrupten Radiokarbonanstiege – sogenannte Miyake-Ereignisse – „ermöglichen es uns, genaue Kalenderjahre in fließenden archäologischen Chronologien festzulegen“, ergänzte Ilya Usoskin, Professor der Astrophysik an der University of Oulu und Leiter der Station für kosmische Strahlung am geophysikalischen Observatorium Sodankylä. Der Radiokarbon-Peak aus dem Jahr 12.350 vor Christus eröffnet nun erstmals eine solche Referenz außerhalb des Holozäns.

Das Modell SOCOL:14C-Ex berücksichtigt entscheidende Umweltfaktoren wie das damalige Klima, das Kohlenstoffdioxidniveau (CO) in der Atmosphäre und die Stärke des Erdmagnetfelds. Diese Faktoren erklären, warum der Radiokarbonanstieg trotz ähnlicher Stärke viel höher ausfiel als bei bekannten Ereignissen. Auch die Überprüfung des Modells am Ereignis von 775 zeigt eine hohe Übereinstimmung mit gemessenen Daten weltweit. Damit liefert die Studie eine neue Grundlage, um extreme Eruptionen der Sonne über Jahrtausende hinweg zuverlässig zu rekonstruieren.

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Wichtiges Bindeglied

Darüber hinaus eröffnet der neu entdeckte Radiokarbon-Peak eine dringend benötigte Brücke zwischen den Klimadatensätzen der letzten Eiszeit und den holozänen Chronologien. Der Sprung von fast einem Promille erlaubt es, spät­glaziale Baumring-Zeitreihen mit grönländischen Eisbohrkernen, marinen Sedimenten und tropischen Stalagmiten zu synchronisieren – alles Archive, die bislang oft nur über ungefähre Altersmodelle miteinander verglichen werden konnten.

Damit lassen sich Schlüsselereignisse der Deglaziation, wie der abrupte „Bølling/Allerød“-Warmimpuls oder der darauffolgende Kälterückfall der Jüngeren Dryas, künftig exakt datieren und in Beziehung zu Vulkanausbrüchen, ozeanischen Umwälzprozessen und Veränderungen der Sonneneinstrahlung setzen. Kurz: Das Miyake-Signal von 12.350 v. Chr. wird zum neuen „Fixpunkt“ für alle spät­glazialen Klimaarchive.

Selten, aber entscheidend

Radiokarbonsprünge dieses Kalibers treten nach heutigem Kenntnisstand nur alle paar tausend Jahre auf – belegt sind bislang neun solcher „Miyake-Ereignisse“ in den letzten 15.000 Jahren. Das neu beschriebene Ereignis liefert dabei den deutlichsten Hinweis, dass die Sonne auch in Klimaperioden mit schwächerem Erdmagnetfeld in der Lage ist, extrem energiereiche Teilchen in Richtung Erde zu schleudern.

Künftige Analysen von langlebigen kosmogenen Isotopen wie Beryllium-10 (^10Be) und Chlor-36 (^36Cl) in Grönlandeis oder marinen Sedimenten könnten zeigen, ob noch ältere oder gar stärkere Ausbrüche übersehen wurden – und helfen, das Wiederholungsintervall solcher Superstürme einzugrenzen.

Das neue Modell SOCOL:14C-Ex – kurz für Solar Climate Ozone Links with Radiocarbon Extension – füllt eine langjährige Lücke, weil frühere Modelle weder glaziale CO2-Niveaus noch ein abgeschwächtes Magnetfeld adäquat abbilden konnten. Mit dem nun validierten Ansatz können Forschende Szenarien simulieren, in denen Koronale Massenauswürfe (CMEs) und solare Protonenereignisse (SPEs) zusammenwirken – eine Voraussetzung, um die Obergrenze solarer Aktivität realistisch abzuschätzen.

Die Ergebnisse ergänzen Messkampagnen von Parker Solar Probe und Solar Orbiter, die nahe der Sonne den Ursprung solcher Teilchenströme untersuchen. So wächst ein ganzheitliches Bild, das von der Sonnenoberfläche bis in irdische Baumringe reicht.

Quellen: University of Oulu; „New SOCOL:14C-Ex model reveals that the Late-Glacial radiocarbon spike in 12350 BC was caused by the record-strong extreme solar storm“ (Earth and Planetary Science Letters, 2025)

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